Fröhliche Zeiten
ihnen zählte der unermüdliche Damentorero, der ego- wie exzentrische Regisseur Roberto Rossellini. Durch seine Ehe mit Ingrid Bergman hatte er sich auch als Klatschspaltenlieferant ein Denkmal gesetzt. Der Maestro, so hieß es, lehne jeden Vertrag von vornherein ab, äußere täglich neue, unerfüllbare Wünsche, komme grundsätzlich zwei Stunden zu spät und halte sich an keinen Drehplan. Für den sparsamen Atze Brauner ausreichende Gründe, ihn vor keiner Tür abzufangen.
Eine Münchner Filmproduktion besaß zufällig die Rechte an einem Stoff, der diesem Primadonnus liegen mußte, wie schon der Titel verrät: Angst. Das Wort — ein Omen für sich. Alle rieten ab. Angst mit Rossellini sei Selbstmord. Außerdem komme man als deutscher Produzent gar nicht an ihn heran.
Nun unterscheidet sich Franz Seitz — unter Freunden Buba genannt — von seinen Produzentenkollegen nicht nur durch hartnäckig betriebene Thomas-Mann-Verfilmungen. Dem hageren, stets dezent-eleganten Urbayern eignet neben seiner Leidenschaft für den Reitsport ein hintersinniger Humor im Valentinformat, der ihm ebensowenig ausgeht wie seine Tabakspfeife.
Zu Verhandlungen über ein anderes Projekt weilte Buba für einige Tage in der Ewigen Stadt. Nebenbei kam er auf Rossellini zu sprechen. Ein Filmkaufmann wußte, wo der Unberechenbare anzutreffen war und vergaß nicht, die bekannte Warnung zu wiederholen. Schlüssig klang sie nicht. Wenn Rossellini zu keinem Vertrag zu bewegen war, wie drehte er dann seine Filme?
Nach Antwort suchte der Münchner nicht, er hatte bereits eine Idee. Auf einer Abendgesellschaft machte der Filmkaufmann die Herren miteinander bekannt. Sie verständigten sich französisch. Franz Seitz blablate nicht lang. Er umriß den Stoff im Telegrammkonzentrat, nannte eine zusageträchtige Regiegage und ließ dem Köder eine Einschränkung folgen: auf einen Vertrag werde er verzichten. Künstlerische Tätigkeit entziehe sich juristischen Formulierungen. Die würden nur Unfrieden schaffen, indem sie ein großes Konzept in Kleinlichkeiten aufsplittern, um auf deren Erfüllung zu bestehen. Auch wenn diese von der schöpferischen Verdichtung längst überholt sind.
Befremdetes Schweigen. Rossellinis Brauen verharrten in Höchststellung. Romanische Textvorwegnahme mit Händen und Mienenspiel, endlich Worte: Ein Film ohne Vertrag? Wo bleibe da die Sicherheit?
»Im künstlerischen Impetus !« entgegnete Buba und fügte hinzu, daß er den Maestro für fortschrittlicher gehalten habe.
Impossibile!
Der Italiener preschte zum Rückzug vor. Er sei interessiert, den Film zu machen, ja er müsse ihn machen, bestehe aber auf einem Vertrag. Sein Anwalt werde ihn aufsetzen.
Mit einem Lächeln fügte sich der Produzent. Rasch einigte man sich über Einzelheiten, zumal Ingrid Bergman die Hauptrolle spielen sollte. Alsbald kam das Ehepaar Rossellini nach München. Mit großem Renommiergerät, darunter ein Ferrari-Coupe, ein offener Rennsport-Ferrari, ein Rolls Royce.
Landlauf, landab wurde gedreht. Die Produktionsleitung gab täglich zweierlei Dispositionen für den nächsten Tag heraus. Eine für Schauspieler und Stab, eine für die Familie Rossellini mit Drehbeginn um sieben Uhr früh. Gegen diese, für sein Verständnis teutonische Arbeitswut protestierte der Maestro erwartungsgemäß. Er kam grundsätzlich zwei Stunden später, pünktlich zum normalen Drehbeginn um neun. Oft raste er vorher im Rennsport-Ferrari spazieren. Vorbei an der winzigen Windschutzscheibe traf ihn einmal ein kleiner Stein neben dem Auge.
Schwer verletzt legte sich Rossellini ins Hotelbett und ließ das Unglück melden, um dann mittags tapfer im Atelier zu erscheinen und ohne Pause bis Mitternacht durchzudrehen. Im äußeren Augenwinkel klebte etwas in Hautrosa, nicht größer als ein Schönheitspflaster aus dem Rokoko. Es wuchs sich zu einer Art Talisman aus.
Tage später saßen wir in der Weinstube Zur Kanne in kleinerer Runde, der Maestro trug sein Pflaster, Ingrid Bergman lächelte. Nicht darüber, noch weil sie sich in der Öffentlichkeit befand — für viele Stars ein Anlaß, Natürlichkeit als Rolle darzubieten — ihr Lächeln strahlte von innen. Sie trieb keinen modischen Aufwand, trug aus Rücksicht auf ihren Roberto Slipper ohne jeden Hauch von Absatz.
Aber nicht nur körperlich machte sie sich kleiner. Sie schwieg gern, konnte zuhören ohne Drang, Mittelpunkt zu sein. In der Arbeit war sie die personifizierte Disziplin. Sie beherrschte ihren Text,
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