Fröhliche Zeiten
glitzernde Treppe errichtet, über welche die Stars einzeln und sinnbildlich zu ihrem Publikum hinabsteigen sollten.
»Almabtrieb«, lästerte Werner Finck hinter der Bühne, wo alle, an Haaren und Garderobe zupfend, auf ihren Auftritt warteten.
Draußen am Fuß der Treppe stand Axel von Ambesser mit Namensliste als Zeremonienmeister. »Und jetzt kommt eine Kollegin aus England. Die Schauspielerin Jean Simmons!«
Sie stand vor mir und schwebte ins Scheinwerferlicht, in den Beifall. Ich rückte nach im Pferch wie ein Rodeostier. Was hatten wir hier verloren?
»Grüß schön !« alberte Werner Finck. »Und fall nicht .« Meine Füße trabten an. Zur Unterscheidung vom Filmstrahlen zeigte ich das maliziöse Lächeln meiner parodistischen Zunft. Da es keine Filmhauptrolle zu benennen gab, etikettierte mich Freund Axel mit komödiantischer Spielfreude.
Nach mir kam wieder eine Echte, im filmischen Sinn des Wortes. Zirkusreif aufgeputzt, gebärdete sie sich so überwältigt, daß sie für einen Augenblick stehen bleiben mußte. Vielleicht lag’s auch an dem unübersichtlichen Kleid oder war berechnet, um den Beifall zu verlängern. Nicht nur bei ihr, auch bei anderen wurde ich an einen Ausspruch der Grande dame der Operette, Fritzi Massarx, erinnert.
»Die Schauspielerinnen von heute können nicht mehr über eine Freitreppe hinunterschreiten .«
Von Werner Finck erwartete das niemand. Er schlurfte ins Licht, grüßte gekonnt linkisch mit der Hand und... stolperte. Wer ihn kannte, hatte das erwartet. Ein Auftritt ohne Text mußte bei ihm genau so seine Pointe haben.
Die Treppe verdeutlichte alles zum pedalen Psychogramm. Jede Absicht, jede Geziertheit, jede Hemmung offenbarte sich wie unter der Lupe.
Ansonsten überzuckerte Arglosigkeit die Filmbälle. Berechnung, Ehrgeiz und Neid blühten zwar offener, wurden aber durch die Narrenfreiheit gemildert, die diesem Gewerbe eigen ist. Ernst konnte auch Spiel sein und umgekehrt.
Man plätscherte mit im jungen Wohlstand, genoß die Oberfläche nach den schweren Jahren. Das mußte Folgen haben. Arglos schwelgten die Zuschauer in vielen, arglosen Filmen, zu arglos, um auf die Dauer im internationalen Geschäft mithalten zu können. Lieschen Müller schaufelte bereits an ihrem späteren Grab im Silberwald. Alte Filmhasen wie der Regisseur Geza von Cziffra sahen das klar. Den Anfängen wehrten sie nicht. Wozu? Unproblematische Unterhaltung muß es auch geben. Die Zuschauerzahlen bewiesen es. Mit jenem leichtlebigen Unterton, der ungarischem Akzent bei uns anhaftet, gab er mir einen präzisen Drehbuchauftrag: »Hassencamp, schreiben Sie Scheißfilm! Dicke Frau fällt in Swimming-pool, Mann raucht Knallzigarre, wo explodiert, junger Busen rutscht aus Kleid, Liebhaber verliert Hose, Feuerwehr löscht irrtümlich Festessen...« Kabarettistische Zeitkritik wollte er einwandfrei nicht, nur die kabarettistische Routine. Auch ich versagte, griff nach dem Scheck und in die unterste Schublade. Das Schicksal rettete mein Niveau — ein Kassenschlager wurde der Film nicht. Immerhin hatte ich Lehrgeld bekommen, statt es zu bezahlen. Eine Perversion, die mich stutzig machte. Sollte sie zur Richtschnur der Unterhaltungsindustrie werden?
Einer, der stets dabei war beim großen Starauftrieb, eine mittlerweile legendäre Figur des deutschen Films, ließ sich im Ballsaal nur selten blicken: der Berliner Produzent Artur — Atze — Brauner. Während seine temperamentvolle Frau Maria keinen Tanz versäumte, während Alkohol, Rhythmus und Balz den Sinn für Geschäfte bereits weitgehend anästhesiert hatten, lauerte er, gleich dem Raubritter in der Talenge, an einem Portal, durch das alle irgendwann einmal kommen mußten — am Ausgang zu den Toiletten.
Sein Ballgeflüster war sterotyp, jeder kannte es: »Entschuldigen Sie einen Augenblick, ich möcht’ mit Ihnen Vertrag machen...«
Über die Gagen, die er anbot, hätte man sich andernorts entrüstet, zumindest milde gelächelt. Doch die Beschwingtheit, der innere Drang, beschleunigten leichtfertige Zusammen. Wie ein Autogrammjäger hielt Atze Formular und Feder bereit. Man zögerte zu zögern — um mit Werner Finck zu sprechen.
Die Hand gehorchte dem inneren Drang. Trotz Bedenken gegen die noch undeutliche Aufgabe kehrte man erleichtert auf die Spielwiese für privilegierte Wunderkinder zurück.
Es gab auch Verweigerer, internationale Filmgrößen, denen der Ruf vorauseilte, es sei nahezu unmöglich, sie mittels Vertrag festzunageln. Zu
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