Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
plattgemacht – zack, die Frau lag in der Ecke, umdrehen und den boxenden Frosch
von hinten abgewehrt. Das saß.
Bettina
lachte versteckt, als sie beobachtete, wie viel Wut in Liv steckte und welche Aggression
aus ihr herausplatzte.
»Ich möchte
nicht dein Gegner sein«, sagte sie am Ende, als es zu den Dehnübungen überging.
»Bist du
es? Aber halb so wild«, wiegelte Liv ab. »Du weißt doch: Hunde, die bellen, beißen
nicht.«
Das Stretching
hielt sie von längerer Konversation ab. Erst die Waden, die Beine, die Hüften gedehnt,
dann den Oberkörper, die Arme, Hände und den Hals. Liv versuchte, sich alle Übungen
so genau wie möglich zu merken, damit sie sie auch allein zu Hause machen konnte.
Immerhin stand der Vorsatz fest, sich im Alltag mindestens drei Mal die Woche ordentlich
auszupowern. Es konnte doch nicht so schwierig sein, eine Sache, die man zumindest
hinterher als angenehm empfand, regelmäßig durchzuziehen.
›Was ist
das für ein Kerl, dieser innere Schweinehund? Warte es ab, dich werde ich auch noch
kleinkriegen!‹
Heute aber
musste Liv noch andere kleinkriegen. Es wäre unbefriedigend für sie, hier aus dem
Hotel unverrichteter Dinge abzureisen. Da war noch eine Rechnung offen. Aber etwas
später, jetzt wollte sie den Wellness-Bereich noch ein letztes Mal ausnutzen. Schwimmen,
Sauna, Solarium, Entspannen, das volle Programm würde sie sich in ausgedehnter Form
gönnen, bevor sie zum Endspurt startete.
Bettina
stand faktisch noch auf der Liste der Verdächtigen. Trotzdem und ohne schlechtes
Gewissen tauschte sie mit ihr die Telefonnummer und E-Mail-Adresse aus. Sie waren
sich irgendwie sympathisch. Es war beidseitig und ging über die Neugierde an dem
Mordfall hinaus. Mit der Nummer in der Hand und dem Versprechen, sich vielleicht
mal auf ein Alt mit Schuss zu treffen, verabschiedeten sie sich. Liv war natürlich
auch interessiert an der Zukunft dieses Hotels. Erstens, weil sie durchaus wiederkommen
würde, und zweitens, weil die Situation mit den Geschwistern, den Mitarbeiter-Clans
und Bettina mittendrin alles andere als leicht werden würde.
Liv duschte
und schwamm ein paar Bahnen auf dem Rücken durch das Becken. Es war ein Gefühl der
Schwerelosigkeit. Fernab von hier und jetzt sah sie sich diese Welt aus einer anderen
Perspektive an. Die Decke war – wie naheliegend – mit einem Himmelsbild aus Wolken
und blauer Hintergrundfarbe bemalt. Liv spürte förmlich, wie der Wind sie vor sich
herschob. Die Ohren unter Wasser verstärkten das Gefühl der Traumreise. Herausgerissen
von einem dickbäuchigen Mann, der ungeduscht und schwerfällig ins Wasser fiel, floh
sie aus der Idylle. Er störte und er roch unangenehm nach Parfüm.
Nach erneuter
Dusche, die ihr das Chlorwasser von der Haut waschen sollte, ruhte Liv sich etwas
aus. Aber auch dort hielt es sie nicht lange. Die Sauna rief. Drei Gänge machte
sie, dazwischen ins Solarium und schließlich noch einmal in die Dampfsauna. Sie
genoss es nicht sehr, da sie sich nicht mehr in der Lage fühlte zu entspannen, im
Gegenteil, sie lag unter Hochspannung.
Fix und
foxi, aber mit dem guten Gefühl, alles ausgekostet zu haben, fiel sie auf die Ruheliege.
In Gedanken ging sie ihren Artikel durch, immer und immer wieder.
Zwei Frauen
in auffallenden gelben und roten Bikinis, braun gebrannt, mit Gesichtern, die Liv
hier noch nicht gesehen hatte, weckten sie mit ihrem freundlichen »Guten Abend«.
Neue, dachte Liv, sie sind sicherlich heute angereist und haben noch einige schöne
Tage vor sich – mit oder ohne Tote?
›Okay, das
war’s. Es war schön. Tschüüss, Schwimmbad, tschüüss, Ruheraum, bis irgendwann einmal.‹
Beim Hinausgehen
sah Liv Virginia Perle, wie sie einen männlichen Gast in einen Kosmetikraum führte.
Liv winkte ihr zu, sie verstand, winkte heftig zurück und rief »Auf Wiedersehen«
herüber. Der Gast wusste bestimmt nicht, dass er jetzt genüsslich in einem Stuhl
behandelt wurde, in dem vor wenigen Tagen ein brutaler Mord stattgefunden hatte.
Und das Schlimmste daran war, dass der Mörder in diesem Hotel noch munter und frei
herumlief. Sie taten alle gut daran, die brutalen Vorfälle in dieser Woche unter
den Teppich zu kehren.
Also los,
ihre Mission wartete auf Erfüllung.
69
Einen Zweiertisch im Restaurant
hatte Liv sich reservieren lassen. Am Nachbartisch hatte sich ein junges, verliebtes
Paar niedergelassen. Es verging nicht eine einzige Sekunde, ohne dass sie sich berührten
oder streichelten, egal, wo.
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