Frösche: Roman (German Edition)
gültigen Marktpreis für Gold, für Kunstwerke gibt es das nicht! Natürlich hinkt der Vergleich mit Ihnen, Onkel Unterlippe. Onkel Backe ist wohl klüger als Onkel Leber, aber mit der Froschzucht allein kann er kein großes Geld verdienen.«
»Wenn die Farm nicht mit ihren Fröschen Geld verdient, womit dann?«
»Onkel, tun Sie nur so oder wissen Sie das wirklich nicht?«
»Ich weiß es wirklich nicht.«
»Onkel, Sie erlauben sich einen Spaß mit mir! Leute Ihres Kalibers haben doch alle ihre speziellen Methoden und Hintertürchen. Wenn einfache Leute wie ich das sogar schon mitgekriegt haben, wieso sollten Sie es nicht wissen?«
»Ich bin gerade mal ein paar Tage wieder hier. Ich weiß wirklich nicht Bescheid.«
Er sagte: »Gut, wenn Sie’s wirklich nicht wissen ... Sie gehören ja quasi zur Familie, aber ich werde Sie nur langweilen. Allenfalls taugt es dazu, Sie abzulenken.«
»Erzähl schon!«
»Onkel Backe benutzt die Froschzucht nur als Vorwand. Eigentlich verdient er Geld damit, dass er für andere Babys heranzieht.«
Ich ließ mir meine Überraschung nicht anmerken.
»Vornehm ausgedrückt hat er ein ›Leihmütterzentrum‹. Im Klartext heißt das: Er hat einen Trupp Frauen. Leute, die ein Baby wollen, können es bei ihm bestellen, und er wickelt für sie Schwangerschaft und Geburt ab.«
»Damit kann man Geschäfte machen? Das verletzt doch die Vorschriften der Politik der Geburtenplanung?«
»Onkel Unterlippe, in welcher Zeit leben Sie eigentlich? Sie führen die Politik der Geburtenplanung an? Wir befinden uns doch längst in der Phase der Zwangsgeldkinder von Reichen. Wenn die Ehefrau des Schrottsammlers Lao He das vierte Kind erwartet, werden sechshunderttausend RMB fällig. Einen Tag vor der Niederkunft kommt der Bußgeldbescheid, am nächsten Tag bringt Lao He einen Schlangenlederkoffer mit der geforderten Summe zum Komitee für Geburtenplanung. Dann gibt es noch die armen, verheimlichten, überzähligen Kinder . Zur Zeit der Volkskommunen waren die Beschränkungen und Kontrollen so streng, dass die Bauern, schon wenn sie auf den Markt wollten, eine Urlaubsbescheinigung brauchten. Wenn sie die Kommune und das Dorf verlassen wollten, brauchten sie immer einen Nachweis. Jetzt kann jeder fahren, wohin er will. Da fragt keiner mehr. Wenn man andernorts seine Steppdecken auffüllen, den Schirm reparieren, die Lederschuhe beim Schuster flicken lässt, wenn man auswärts Grüngemüse zum Markt bringt, unter der großen Brücke einen Stand aufstellt, kann man auch woanders Kinder kriegen; wie man will, so viele man will.
Die Funktionäre setzen mit ihren Zweitfrauen jede Menge Kinder in die Welt. Da gibt es keinen Erklärungsbedarf. Nur kleine Beamte, die erstens kein Geld haben und zweitens keinen Mumm in den Knochen, trauen sich das nicht.«
»Wenn man dich reden hört, heißt das doch, dass die Politik der Geburtenplanung hier in China nur noch dem Namen nach existiert, tatsächlich aber gescheitert ist?«
»Nein«, entgegnete er, »das ist sie nicht, sie hat weiterhin ihren Sinn. Woher nähme man sonst die Grundlage für die Bußgeldbescheide?«
»Wenn das so ist, können die Leute ihre Kinder doch selbst bekommen. Wozu gehen sie zu Backes Leihmütteragentur?«
»Onkel, Sie sind wahrscheinlich so in Ihrem Beruf aufgegangen, dass alle anderen Entwicklungen auf der Welt an Ihnen vorbeigegangen sind.« Er lachte: »Ein Reicher besitzt zwar Geld, aber es sind nicht viele, die so beherzt – ein Mann, ein Wort – wie der Schrottsammler Lao He handeln. Die meisten werden mit wachsendem Reichtum immer geiziger. Wollen sie einen Sohn, denken sie zuerst an das Bußgeld, obwohl sie begütert sind. Eine Leihmutter ist günstig. Sie zu rechtfertigen ist einfach, man erfindet eine Geschichte und entgeht dem Zwangsgeld.
Außerdem ist der Großteil der Reichen in einem ähnlichen Alter wie Sie. Die Männer wollen sich neuen Herausforderungen stellen, es noch einmal wissen, aber ihre Frauen sind dafür dann meistens nicht mehr zu haben.«
»Also brauchen sie eine Zweitfrau.«
»Natürlich haben viele eine Zweitfrau, oder sogar noch eine dritte und vierte. Es gibt aber auch Männer, die ihre Frauen fürchten und keinen Ärger haben wollen. Das sind Backes Kunden.«
Mein Blick schweifte über das Ufer, über den Deich, ich sah in der Ferne das rosafarbene kleine Gebäude der Froschzuchtfarm und auch die goldgelben Ziegel des Niangniang-Tempels. Ich hatte ein ungutes Gefühl. Ich erinnerte mich an
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