Frösche: Roman (German Edition)
Heimatort auf dem Lande eine Wohnung gekauft hat und nun Erholung sucht. Eigentlich nichts, wovor man sich zu fürchten hat.
Während mir das durch den Kopf ging, verspürte ich noch größeren Hunger.
Ich ging in das kleine Restaurant mit Namen »Don Quijote de la Mancha«, das rechts neben dem Vorplatz des Niangniang-Tempels gelegen ist. Seit Kleiner Löwe angefangen hatte, auf der Froschfarm zu arbeiten, kam ich regelmäßig zum Essen hierher. Ich setzte mich an einen Tisch ans Fenster. Die Geschäfte des Restaurants liefen nicht gut, und der Fensterplatz war mehr oder weniger mein Stammplatz geworden. Der kleine dicke Ober kam an meinen Tisch:
»Mein Herr, immer wenn Sie sich an diesen Tisch setzen und der Stuhl Ihnen gegenüber frei bleibt, träume ich davon, dass ich eines Tages darauf sitze und Sie mir dann von der komplizierten Geburt Ihres Theaterstücks erzählen.«
Sein fettig glänzendes Gesicht lächelte gefällig, aber das wirkte auf mich wie eine Grimasse. Vielleicht war es nur Don Quijotes Diener Sancho Panza, der durch mein Hirn spukte. Ein wenig durchtrieben, mit Spaß daran, andere auf die Schippe zu nehmen, aber nie davor gefeit, sich selbst zum Gespött zu machen. Schwer zu sagen, ob man diesem Burschen wohlwollend oder ablehnend begegnen sollte.
Die schweren Tische im Lokal sind aus gebürsteter Linde, nicht mit Farbe gestrichen und nicht lackiert. Die Maserung des Holzes ist deutlich zu sehen, es gibt ein paar Brandspuren von Zigaretten. Regelmäßig schrieb ich an einem dieser Lindentische. Vielleicht würde dieser noch mal berühmt, ein Kulturgut, sollte mein Theaterstück ein großer Erfolg werden. Wenn die Leute sich dann an diesem Tisch niederließen, um ein Bier zu trinken, müssten sie zusätzlich eine Tischgebühr zahlen. Und mir gegenüber gesessen zu haben, wäre dann noch exklusiver, noch teurer ...
Tut mir leid! Literaten bilden sich immer etwas ein, um das Feuer ihrer schriftstellerischen Schaffenskraft wieder anzufachen.
»Gnädiger Herr«, der Ober machte einen angedeuteten Diener, ohne den Rücken zu beugen. »Guten Tag! Herzlich willkommen! Ich freue mich, dass Sie uns beehren! Meinem Namen nach der treue Diener des großen Ritters Don Quijote, werde ich Sie mit aller Herzlichkeit bewirten!«
Er sagte diesen Satz so, als hätte er ihn aus einer Liste mit noch neun weiteren Sätzen.
»Danke«, entgegnete ich, »das Gleiche wie immer: einen Salatteller Margarita, ein Rinderschmorfleisch im Tontopf à la Antonios junge Witwe, ein gezapftes Onkel-Marek-Starkbier.«
Er verschwand mit wackelndem Hinterteil, wie eine watschelnde fette Ente. Ich wartete auf mein Essen und schaute mir inzwischen die Einrichtung und den Wandschmuck an. An der Wand hingen eine von Rostflecken übersäte Rüstung und ein Spieß, ein kaputter Handschuh, der einem Duell wegen einer Ehrenstreitigkeit entstammte, Urkunden und Orden, die für unvergängliche Ruhmestaten und militärische Leistungen verliehen worden waren. Dann gab es noch einen ausgestopften Hirschkopf, zwei ausgestopfte Fasanen mit prächtigen Schwanzfedern und alte vergilbte Fotografien. Obwohl das mittelalterliche Europa an der Wand nur imitiert war, machte es Spaß, die Dekoration anzuschauen. Rechts neben der Eingangstür stand eine lebensgroße Bronze, ein weiblicher Akt. Ihre Brüste hatten mit der Zeit so viele Menschen berührt, dass sie golden glänzten, wie poliert.
Teurer Freund, ich habe beobachtet, dass alle, Männer wie Frauen, beim Betreten des Restaurants mit den Händen über ihre Brüste streichen, im Vorbeigehen sozusagen.
Auf dem Vorplatz des Niangniang-Tempels herrscht immer Gedränge. Es ist ein Schieben und Schubsen ohne Ende, und dazwischen ertönt Wang Lebers Marktgeschrei.
Seit kurzem gibt es ein neues Tempelspiel, das sich Das chinesische Einhorn bringt Kinder nennt. Angeblich sollen alte Traditionen wiederbelebt werden, aber im Grunde steckt dahinter, dass das städtische Kulturhaus ein paar Kunstschaffende angestellt hat, damit sie etwas auf die Beine stellen. Es ist nicht Fisch noch Fleisch, weder Orient noch Okzident, gibt aber fast fünfzig Leuten Arbeit. Deshalb ist es eine gute Sache.
Außerdem, Sugitani san, teile ich Ihre Meinung. Sie schrieben, Ihrer Ansicht nach sei die so genannte Tradition nichts anderes als das, was in früheren Zeiten Avantgarde war.
Ich sehe im Fernsehen immer viele Magazine dieser Art. Sie alle bilden einen bunten Reigen aus altem Brauchtum und moderner Lebensart,
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