Frösche: Roman (German Edition)
dass Sie es übers Herz bringen, solche altmodischen Ausdrücke für das zu benutzen, was ich mache. Ein absolutes No-Go ist das!«, sagte Plattschädel lachend. »Ich arbeite für Onkel Backe im Außendienst. Ich bedanke mich schon mal bei Ihnen, Onkel Unterlippe, wenn ich mich Ihretwegen mit Onkel Backe in Verbindung setzen darf und Sie mir eine Provision in Aussicht stellen.« Er hielt das Floß an und holte sein Handy hervor.
Ich sagte: »Entschuldige, aber ich bin wirklich nicht Onkel Unterlippe und ich habe auch keinen Bedarf, euren Service in Anspruch zu nehmen.«
8
Teurer Freund, vorgestern habe ich mich mit meiner Frau gestritten. Der Streit ist eskaliert, weil ich mich nicht mehr im Griff hatte. Ihre Nase hat dabei ziemlich was abgekriegt, sie hat heftig geblutet. Sogar das Briefpapier ist beschmutzt worden. Heute habe ich starke Kopfschmerzen, so dass ich mit dem Theaterstück nicht weiterkomme. Beim Briefeschreiben beeinträchtigen sie mich jedoch nicht. Für das Theaterstück muss ich an Worten und Sätzen feilen, bei einem Brief ist das unnötig, und es genügt, ein paar hundert Schriftzeichen zu beherrschen, um munter draufloszuschreiben.
Wenn mir meine erste Frau früher Briefe schrieb, fehlten ihr immer viele Schriftzeichen. Dann malte sie stattdessen kleine Bildchen. Sie entschuldigte sich mit den Worten: »Kleiner Renner, ich bin ungebildet, ich kann nur malen, nicht schreiben.« Ich antwortete ihr: »Es stimmt nicht, dass du kein Niveau hast und ungebildet bist. Du drückst in Bildern aus, was dein Herz dir sagt. Du schenkst uns neue Schriftzeichen.« Sie gab zurück: »Ich möchte dir lieber einen Sohn schenken! Kleiner Renner, lass uns zusammen einen Sohn bekommen, bitte ...«
Teurer Freund, nachdem ich dem Flößer Plattschädel zugehört hatte, waren mir grässliche Befürchtungen gekommen. Mir war abwechselnd heiß und kalt geworden. Eine richtige Panik hatte mich gepackt, denn ich war zu dem Schluss gekommen, dass Kleiner Löwe, die diesen neurotischen Kindertick hat, meine Kaulquappen abgefüllt und sie irgendeinem verunstalteten Mädchen appliziert hatte.
In meinem Hirn geisterten Massen von Kaulquappen herum, die eine Eizelle belagerten, wie die Kaulquappen in unserem Teich am Dorfrand. Als dieser einmal kurz vor dem Austrocknen war, hatte ich welche beobachtet, die in dicken Trauben eine im Wasser aufgequollene Hefenudel belagert und daran gierig um die Wette gefressen hatten.
Dann wurde mir klar: Das arme Ding, das meine Nachkommenschaft austrug, war gar keine Fremde! Es war Chen Nases Tochter Augenbraue, die zweite Tochter meines alten Mitschülers und Freundes. In ihrer Gebärmutter wuchs jetzt mein Kind heran.
Ich eilte zum Froschzuchtzentrum. Viele Leute grüßten mich auf der Straße, aber ich erinnere mich nicht mehr, wer sie waren.
Durch den hell erleuchteten Spalt des sich automatisch öffnenden Tores hatte ich einen Augenblick die Ehrfurcht heischende Froschplastik im Blick. Ich spürte, wie ein Zittern durch meinen Körper ging. Ich glaubte, die kalte, schleimige Froschhaut zu spüren und einen Blick, der von schlechten Absichten zeugt.
Auf dem Platz vor dem kleinen Firmengebäude tanzten sechs Mädchen in bunten Kleidern und schwenkten Blumenkränze. Neben ihnen saß ein Mann auf einem Stuhl, der ein Schifferklavier auf dem Schoß hielt und darauf spielte. Die Tänzerinnen schienen etwas einzustudieren.
Alles sah so friedlich aus, die Sonne schien wunderschön, ein laues Lüftchen wehte, nichts schien vorgefallen zu sein. Vielleicht hatte ich mir ja alles nur eingebildet, die Phantasie war mit mir durchgegangen. Ich sollte mir lieber ein ruhiges Plätzchen suchen und in Ruhe nachdenken. Zum Beispiel über mein Theaterstück.
Mein Vater hatte mich gelehrt:
Im Normalfall ängstlich wie die Maus,
denn Vorsicht ist die wahre Tapferkeit!,
wenn’s drauf ankommt, ein Tiger,
denn am Mute hängt der Erfolg.
Des Weiteren lehrte er mich:
Hast Glück und nie Pech.
Kommt Unglück doch,
führt kein Weg dran vorbei.
Die Alten kennen viele Sinnsprüche. Während ich an Vaters Lehrsätze dachte, spürte ich, dass ich hungrig wurde.
Ich bin fünfundfünfzig. Vor meinem Vater und meinem großen Bruder wage ich nicht, mich alt zu nennen. Aber den Zenit meines Lebens habe ich lange überschritten, ich fahre mit zunehmender Geschwindigkeit bergab gen Westen, der untergehenden Sonne zu. Am Lebensabend angekommen. Ein vorzeitig in den Ruhestand Versetzter, der sich an seinem
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