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Frösche: Roman (German Edition)

Frösche: Roman (German Edition)

Titel: Frösche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Die Mundharmonika stellten sie sicher, als Tatbeweis, dass Wang Xiaoti sich an Jugendliche herangemacht und sie aufgehetzt habe. Für deinen Vater gab es auch einen Tagebucheintrag: Das rote Holz hat mich mit seinem dämlichen Neffen bekannt gemacht. Er ist dieselbe Sorte rotes Holz wie sie auch und trägt den seltsamen Namen Wan Mund. Ohne diesen Eintrag wäre auch dein Vater verloren gewesen.«
    Mein kleiner Neffe meint, Wang Xiaoti habe das doch mit voller Absicht geschrieben. Auch Gugu war später der Ansicht, dass er dieses Tagebuch nur zurückgelassen hatte, um sie zu schützen. Deswegen sagte sie an jenem Abend auch: Er hat mich zwar ins Verderben gestürzt, andererseits hat er mich aber auch wieder gerettet .
    Am meisten interessiert sich mein kleiner Neffe aber für die Republikflucht, Sugitani-san. Er vergöttert diesen Mann wegen seiner superben Flugkünste, denn wenn so ein Tiger-5 Jet in einer Entfernung von fünf Metern mit einer Geschwindigkeit von achthundert Stundenkilometern über die Wasseroberfläche des Ozeans rase, meint er, brauche man über minimale Fehler gar nicht nachzudenken, der Flieger tunke seine Nase dann ohnehin ins Meer, und aus der Traum. Aber Wang Xiaoti, der habe ja wohl die hohe Kunst beherrscht und mehr Schneid gehabt als jeder andere! Dieser Jetpilot sei wirklich einsame Spitze gewesen. Und wie ein Zugvogel den ganzen Tag in der Luft.
    Vor dem Zwischenfall, als er noch seine Flugübungen im Luftraum über unserem Dorf absolvierte, vollführte er unübertreffliche Kunststücke am Himmel, die jeder in den höchsten Tönen lobte. Damals, als er seine Tiger-5 im Sturzflug über die Melonenfelder im Osten unseres Dorfes sausen ließ, erzählten wir, dass er dabei die Hand ausstreckte, eine Melone pflückte und seine Maschine nur kurz mit den Flügeln wackeln ließ, um sich sofort wieder hoch in die Luft zu schrauben.
    Ob er, auf Taiwan angekommen, tatsächlich mit einer Prämie von fünftausend Unzen Gold ausgezeichnet worden sei, fragte mich mein Neffe.
    »Schon möglich«, sagte ich, »aber selbst zehntausend Unzen Gold sind eine Flugzeugentführung nicht wert. Xiangqun, mein aufgeweckter Junge, Gold und schöne Frauen sind nichts, was bleibt, nur Vaterland, Ruhm und Familie sollten dir teuer sein.«
    Mein Neffe grinste: »Onkel, du machst wohl Witze? Hast du vergessen, in welcher Zeit wir leben? Und du kommst mir mit so was?«

10
    Im Frühling 1961 wurde Gugu wegen des Zwischenfalls mit Wang Xiaoti entlastet und durfte wieder in der frauenärztlichen Abteilung der Kommunekrankenstation arbeiten. Aber in den beiden Jahren darauf kam in den zweiundvierzig zur Kommune gehörenden Dörfern kein einziges Kind zur Welt. Grund war natürlich die große Hungersnot. Deswegen bekamen die Frauen ihre Regel nicht mehr, wegen des Hungers hatten die Männer das Interesse am Sex verloren. In der Abteilung für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe der Kommunekrankenstation arbeiteten nur meine Tante und eine Ärztin mittleren Alters mit Nachnamen Huang. Sie hatte ihr Examen an einer sehr berühmten Universität gemacht, war aber wegen ihres schlechten familiären Hintergrunds und weil sie noch dazu Rechtsabweichlerin war, degradiert und aufs Land versetzt worden. Wenn Gugu auf sie zu sprechen kam, machte sie jedes Mal einen völlig entmutigten Eindruck, verquere Launen habe sie, spreche manchmal den ganzen Tag kein Wort, ergehe sich dann wieder in Gehässigkeiten und sei richtig gemein. Selbst einen Spucknapf kanzelte sie endlos ab.
    Nachdem meine Großtante gestorben war, kam Gugu nur noch selten zu uns. Aber Mutter vergaß sie nie. Jedes Mal, wenn es bei uns etwas Gutes zu essen gab, schickte sie meine große Schwester mit einer Portion zu ihr ins Wohnheim. Einmal fand mein Vater draußen auf dem Feld einen halben toten Hasen, wahrscheinlich den Rest eines Habichtfangs, den meine Mutter zusammen mit Wildgemüse kochte, wovon sie draußen einen halben Korb voll gesammelt hatte. Sie füllte eine Schale davon ab, wickelte sie in ein Tuch und trug meiner Schwester auf, das Essen hinüberzutragen. Meine Schwester wollte nicht, ich bot mich an. Mutter meinte: »Nun gut, aber unterwegs nicht naschen und gut darauf achten, wo du hintrittst, denn du darfst mir die Schale nicht fallenlassen.«
    Es sind fünf Kilometer Fußweg von uns zu Hause bis zur Krankenstation der Kommune. Anfangs rannte ich im Dauerlauf. Noch warm sollte das Hasenfleisch sein, wenn ich ankam. Aber nach einer Weile wurden mir die

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