Frösche: Roman (German Edition)
Spirale zu entfernen. Wenn da was passiert, was macht er dann?«
»Zu ihm gehen viele, hat mir Renmei erzählt. Und er ist sehr tüchtig«, flüsterte mir meine Mutter zu. »Er nimmt einen Metallhaken und fischt nur ein paar Mal. So einfach kann er eine Spirale herausziehen.«
»Was für eine Schamlosigkeit!«, erwiderte ich.
»Wo denkst du hin?« Meine Mutter hatte meinen Gesichtsausdruck bemerkt. »Galle ist mitgegangen. Als Backe die Spirale entfernt hat, hat er einen Mundschutz, eine Sonnenbrille und Gummihandschuhe getragen, und den Haken hat er zuvor mit Alkohol gereinigt und im Feuer glühend gemacht, um sicherzugehen, dass er keimfrei war. Renmei sagt, sie habe nicht mal die Hose ausziehen müssen, nur die Naht im Schritt ein Stück aufgetrennt.«
»Das meine ich nicht.«
»Renner, du weißt doch, dein Bruder hat einen Sohn, nur du hast keinen. Aber es ist mein Herzenswunsch, dass ihr beide einen habt«, sagte Mutter traurig. »Lass sie doch das Kind bekommen.«
»Ich will ihr das Kind nicht verbieten. Aber wer garantiert denn, dass es ein Junge wird?«
»Ich finde, es sieht nach einem Jungen aus, und«, sagte meine Mutter, »ich habe Yanyan gefragt, ob das Baby im Bauch ihrer Mama ein Schwesterchen oder ein Brüderchen ist. Und sie hat gesagt: Ein Brüderchen! Du weißt doch: Kindermund tut Wahrheit kund! Und wenn’s wieder ein Mädchen ist, hat Yanyan, wenn sie einmal groß ist, eine Stütze und ist nicht allein auf der Welt. Nur ein einziges Mädchen! Überleg mal, wenn ihr nun ein Unglück zustieße. Wer weiß, was das Schicksal uns bringt? Ich bin alt geworden. Wenn ich nun plötzlich nicht mehr bin? Wir Menschen können nichts wissen! Ich mache mir Gedanken, mein Sohn! Damit du glücklich wirst!«
»Mutter, in der Truppe kommt eine Disziplinarstrafe auf mich zu. Beim zweiten Kind wird man aus der Partei ausgeschlossen, man verliert den Arbeitsplatz. Die schicken mich wieder nach Hause, und ich muss Feldarbeit machen. Ich habe so viele Jahre dafür gekämpft, endlich nicht mehr Bauer sein zu müssen und von hier weg zu können. Das alles aufgeben? Nur um ein Kind zu bekommen? Ist es das wert?«
Mutter erwiderte: »Du meinst, Parteimitgliedschaft und Arbeitsplatz seien mehr wert als ein Kind? Was willst du in einer Welt ohne Menschen? Ohne die lebenden Menschen nützt dir auch die beste Position nichts. Da kannst du auf dem Stuhl neben dem Vorsitzenden Mao sitzen, aber wozu?«
»Der Vorsitzende Mao ist doch längst tot«, sagte ich.
»Du glaubst, das wüsste ich nicht? Als wenn ich das nicht wüsste! Das war doch nur ein Beispiel.«
Wir hörten das Knarren des Hoftors. Yanyan rief sofort mit hohem Stimmchen: »Mama, Mama, mein Papa ist wieder da.«
Ich sah meiner Tochter zu, wie sie auf ihren wackeligen kleinen Beinchen auf Renmei zurannte. Ich sah, dass Renmei meine graue Joppe trug, die ich immer angehabt hatte, bevor ich ins Militär eintrat, und ich sah, dass ihr Bauch sich schon wölbte. Sie hatte in der Armbeuge ein in roten Stoff eingeschlagenes Bündel, daraus lugten bunte Stoffzipfel hervor. Sie bückte sich, um unser Töchterchen auf den Arm zu nehmen, und lächelte aufgesetzt, als sie betont freundlich sagte: »Renner, welche Überraschung! Warum bist du zurück?«
»Warum hätte ich denn nicht kommen sollen? Wo du doch so was Schönes angestellt hast!«, sagte ich kühl.
Ihr von Pigmentflecken übersätes Gesicht wurde weiß, dann puterrot. Sie schrie sofort: »Was hast du denn an mir auszusetzen? Tagsüber gehe ich arbeiten, abends komme ich nach Haus und kümmere mich um das Kind. Ich habe dir keine Schande gemacht und mir nichts zu Schulden kommen lassen.«
»Du bist auch noch so verlogen und streitest es ab? Warum hast du dir hinter meinem Rücken von Backe die Spirale entfernen lassen? Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Verräter! Maulwurf! Kollaborateur!« Renmei setzte das Kind ab und verschwand wutschnaubend im Haus. Sie stolperte dabei über einen kleinen Schemel, nach dem sie so heftig trat, dass er im hohen Bogen wegflog. »Welche Kanaille hat sich am Himmel versündigt und es dir gesagt?«
Unsere Tochter war laut weinend auf den Hof hinausgerannt.
Mutter saß am Herd und weinte.
»Streite nicht mit mir, beschimpf mich nicht, sondern komm einfach brav mit zur Krankenstation und lass das wegmachen. Dann passiert auch nichts weiter.«
»Davon träumst du!« Schreiend griff Renmei einen Spiegel und schmiss ihn zu Boden. »Es ist mein Kind, es ist in meinem
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