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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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aufmunternden
Morgengruß zu. Als ich vorbeijoggte, bedachte er mich mit einem Lächeln und
einem „Gott schütze Sie!“. In der kleinen Bäckerei am Broadway genehmigte ich
mir einen Cappuccino und ein Hörnchen. Während des Frühstücks überlegte ich
meine nächsten Schritte. Das gestrige Treffen mit Hatfield hatte eigentlich nur
dazu gedient, ihn zu provozieren; es machte mir eben irrsinnigen Spaß, an
seiner glatten Fassade ein bißchen herumzukratzen, aber es brachte mir nichts.
Ich hatte nicht die Möglichkeiten, die Dominikaner unter die Lupe zu nehmen.
Und was nützte es eigentlich, wenn Murray Ryerson etwas herausfand? Ich konnte
ja nichts unternehmen, solange Tante Rosa weitere Ermittlungen ablehnte. War
meine Pflicht nicht getan?
    Mir wurde bewußt, daß ich mich in diesem inneren
Monolog mit meiner Mutter auseinandersetzte. Es ging ihr gegen den Strich, daß
ich so rasch aufstecken wollte. „Zum Kuckuck noch mal“, fluchte ich innerlich, „warum
hast du mir dieses dämliche Versprechen abgenommen? Sie hat dich gehaßt. Weshalb
muß ich mich für sie einsetzen?“
    Wäre meine Mutter noch am Leben gewesen, so hätte
sie mir erst mal den Marsch geblasen wegen meines Tons. Dann hätte sie mich mit
ihren klugen Augen scharf angesehen: Rosa hat dich also gefeuert. Hast du etwa
nur gearbeitet, weil sie dich geholt hat?
    Ich trank langsam meinen Cappu aus. Draußen tobte
inzwischen ein Schneesturm. Genaugenommen hatte Rosa mich gar nicht gefeuert.
Albert hatte mich angerufen, um mir auszurichten, daß ich die Ermittlungen
einstellen solle. War das Alberts Idee oder Rosas? Bevor ich mich endgültig
entschied, sollte diese Frage wenigstens geklärt sein. Dazu mußte ich noch einmal
nach Melrose Park fahren - aber nicht heute. Bei diesem Schnee war kein
Durchkommen auf den Straßen. Aber morgen war Samstag. Selbst wenn das schlechte
Wetter anhielt, war mit wenig Verkehr zu rechnen.
    Zu Hause schälte ich mich aus T-Shirts und
Strumpfhosen und sank erst einmal ins heiße Badewasser. Als selbständige
Unternehmerin kann ich meine Strategien überall entwickeln, auch in der Wanne.
Badezeit ist für mich Arbeitszeit. Leider läßt sich mein Steuerberater nicht
davon überzeugen, daß meine Wasserrechnung und meine Ausgaben für Badesalz eigentlich
von der Steuer abgesetzt werden müßten.
    Meine Theorie über die Arbeit des Detektivs deckt
sich mit gewissen Kochrezepten: Man nehme jede Menge Zutaten, werfe sie in
einen Topf, rühre gut um und warte ab, was draus wird. Gerührt hatte ich schon
im Kloster und beim FBI. Vielleicht sollte ich das Ganze jetzt ein bißchen
brodeln lassen und hoffen, daß die Küchendüfte mich zu neuen Ideen
inspirierten.
    Ich zog einen Hosenanzug aus Wollgeorgette an, dazu
eine rotgestreifte Bluse mit Stehkragen und flache schwarze Stiefel. Das war
warm genug, auch wenn ich irgendwo im Schnee steckenblieb und ein Stück laufen
mußte. Zusätzlich wickelte ich mir noch einen breiten Mohairschal um Kopf und
Hals. Draußen reihte ich mich in die Schlange dahinkriechender und
schlitternder Wagen ein, die versuchten, an der Einfahrt Belmont Street in den
Lake Shore Drive einzubiegen. Ich quälte mich bis zur Ausfahrt Jackson Street
durch und parkte neben einer Schneewehe hinter dem Art Institute. Die sechs
Querstraßen bis zum Pulteney-Gebäude legte ich zu Fuß zurück. Im Winter sah es
noch schäbiger aus als sonst. Die Mieter hatten Schnee und Matsch mit
hineingetragen. Tom Czarnik, ein mürrischer alter Mann, der sich Hausverwalter
nennt, weigert sich, bei Schlechtwetter morgens die Eingangshalle durchzuwischen.
Ich verwünschte ihn, als ich mit meinen Stiefeln in dem Matsch ausrutschte. Der
Aufzug funktionierte auch nicht, und so stieg ich gottergeben die vier Treppen
zu meinem Büro hoch.
    Ich hob die Post vom Boden auf. Dann rief ich Agnes
Paciorek in ihrem Maklerbüro an. Nach dem üblichen Austausch von
Liebenswürdigkeiten erzählte ich ihr von Roger Ferrant und daß ich ihm ihre
Telefonnummer gegeben hatte.
    „Weiß ich. Er hat gestern nachmittag angerufen. Wir
treffen uns im Mercantile Club zum Mittagessen. Bist du in der Stadt? Dann komm
doch mit.“
    „Ja, gern. Hast du etwas Ungewöhnliches
festgestellt?“
    „Das hängt von der Betrachtungsweise ab. Ein Makler
findet nichts Ungewöhnliches dabei, wenn Papiere den Besitzer wechseln - aber
du vielleicht. Ich hab's eilig im Augenblick. Wir sehen uns um eins.“
    Der Mercantile Club befindet sich im obersten
Stockwerk des

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