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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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entfernt. Ihr Onkel Stefan, Graveur von Beruf, war in
den zwanziger Jahren nach Chicago ausgewandert, und als Lotty 1959 beschloß, in
die Vereinigten Staaten überzusiedeln, war ihre Wahl unter anderem auch
deshalb auf diese Stadt gefallen, weil ihr Onkel hier wohnte. Ich war ihm nie
begegnet. Sie sah ihn auch nur selten, aber es gab ihr, wie sie sagte, ein
heimatliches Gefühl, einen Verwandten in der Nähe zu haben. Unsere Freundschaft
hatte während meiner Studentenzeit an der Universität von Chicago begonnen. Aus
jener Zeit kannte sie auch Agnes Paciorek.
    Auf dem Heimweg kaufte ich Lebensmittel und Wein
ein. Es war halb sieben, als ich Lotty anrief. Sie war gerade erst heimgekommen,
nach einem langen Tag in ihrer kleinen Klinik in der Sheffield Avenue. Meine
Einladung zum Abendessen nahm sie begeistert an.
    Ich beseitigte das schlimmste Chaos im Wohnzimmer
und in der Küche. Lotty mokiert sich zwar nie über meine Haushaltführung, bei
ihr selbst aber herrscht peinliche Ordnung. Ich hielt es für unfair, sie bei
dieser Kälte aus der Wohnung zu locken, um mit ihr Kriegsrat zu halten - in
einer verwahrlosten Umgebung. Huhn, Knoblauch, Pilze und Zwiebeln, in Olivenöl
angebraten und mit Brandy flambiert, ergaben einen herrlichen Eintopf. Zuletzt
kam noch eine Tasse Rotwein daran. Als das Wasser für die Fettuccine zu kochen
anfing, klingelte es.
    Lotty kam mit schnellen Schritten die Treppe hoch
und umarmte mich zur Begrüßung. „Ein wahres Glück, daß du angerufen hast,
meine Liebe. Ich habe einen langen und deprimierenden Tag hinter mir. Mir
reicht's.“
    Ich behielt sie einen Augenblick im Arm, dann gingen
wir hinein, und ich bot ihr einen Drink an. Lotty erinnerte mich daran, daß
Alkohol Gift sei. In Ausnahmesituationen hält sie Brandy für erlaubt, aber
einen Tag wie diesen rechnete sie anscheinend nicht dazu. Ich goß mir ein Glas
Ruffino ein und setzte für sie Kaffeewasser auf.
    Wir aßen bei Kerzenlicht, und Lotty redete sich
ihren beruflichen Kummer von der Seele. Als wir den Salat gegessen hatten,
war sie soweit, daß sie sich nach meiner Arbeit erkundigte.
    Ich erzählte ihr von Rosa und den Dominikanern und
daß Albert mich angerufen hatte, um das Ganze wieder abzublasen.
    Lotty kniff die Augen zusammen. „Und weshalb machst
du weiter? Was willst du dir damit beweisen?“
    „Albert hat mich angerufen - nicht Rosa“,
verteidigte ich mich.
    „Gewiß. Aber deine Tante mag dich nicht. Sie hat auf
alle Fälle beschlossen, daß du deine Bemühungen zur Wahrnehmung ihrer
Interessen einstellen sollst. Was willst du also? Beweisen, daß du zäher oder
cleverer oder einfach besser bist als sie?“
    Ich dachte über ihre Worte nach. Zuweilen hat Lotty
den Charme eines Dosenöffners - aber sie ist mir eine echte Stütze. Ich sehe
klarer, wenn ich mit ihr rede.
    „Weißt du, ich denke nicht besonders oft über Rosa
nach. Nicht, daß ich Zwangsvorstellungen hätte. Aber ich habe das Gefühl, als
müsse ich meine Mutter immer noch beschützen. Rosa war gemein zu ihr, und das
macht mich wütend. Wenn ich ihr zeigen kann, daß es ein Fehler war, die
Ermittlungen einzustellen, dann habe ich den Beweis, daß sie schon immer im Unrecht
war. Selbst sie müßte das einsehen.“ Ich lachte und trank meinen Wein aus. „Das
wird sie sicher nicht tun, soviel sagt mir meine Vernunft. Aber mein Gefühl
sagt etwas anderes.“
    Lotty nickte. „Vollkommen logisch. Bist du mit
deiner Vernunft in der Lage, den Fall zu lösen?“
    „Das FBI hat natürlich Möglichkeiten, die ich nicht
habe - allein schon, weil sie mehr Leute haben. Ich könnte aber zumindest
herausbringen, wer die Papiere gefälscht hat. Soll sich doch Derek auf die
Frage konzentrieren, wer sie dem Kloster untergeschoben hat, und alle
ehemaligen Dominikaner überprüfen, die jetzt in Saus und Braus leben. Ich
kenne keine Fälscher. Aber mir ist eingefallen, daß sie zur Zunft der Graveure
gehören. Und dabei kam mir dein Onkel Stefan in den Sinn.“
    Lotty hatte mich mit einem belustigten Ausdruck
angesehen. Plötzlich veränderte sich ihre Miene. Sie runzelte die Stirn. „War
das ein Schuß ins Blaue? Oder hast du als Freizeitbeschäftigung Ermittlungen
über mich angestellt?“
    Ich sah sie verständnislos an.
    „Hast du dich gefragt, weshalb du meinen Onkel nie
gesehen hast, obwohl er mein einziger Verwandter in Chicago ist?“
    „Nein“, erwiderte ich mit Nachdruck, „daran habe ich
nicht im Traum gedacht. Du hast ja Tante Rosa auch noch nie

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