Fromme Wünsche
würde man benötigen, um Ajax
übernehmen zu können?“ fragte ich. Es wurde serviert, und zum Glück drückte
Agnes ihre Zigarette aus.
„Kommt drauf an. Wem - außer Ihrer Versicherung -
gehört denn noch ein größerer Brocken?“
Ferrant schüttelte den Kopf. „Genau weiß ich's
nicht. Gordon Firth, dem Aufsichtsratsvorsitzenden. Einigen Direktoren. Uns
gehören drei Prozent und einer Schweizer Rückversicherungsgesellschaft namens
Edelweiß vier. Soviel ich weiß, besitzt sie den größten Anteil. Firth dürfte
mit zwei Prozent beteiligt sein und einige Direktoren mit ein bis zwei
Prozent.“
„Demnach gehören dem jetzigen Management ungefähr
fünfzehn Prozent. Mit sechzehn Prozent könnte ein Käufer schon etwas anfangen.
Zumindest wäre es eine gute Ausgangsbasis - besonders, wenn Ihrem Management
gar nicht klar ist, was eigentlich läuft.“
Ich überschlug schnell: Sechzehn Prozent von fünfzig
Millionen Anteilen waren acht Millionen. „Für die Aktienmehrheit brauchte man
also annähernd fünfhundert Millionen Dollar.“
Sie überlegte einen Moment. „Das kommt ungefähr hin.
Du mußt aber berücksichtigen, daß man viel weniger Kapital benötigt. Wenn man
eine gewisse Menge gekauft hat, kann man den Rest finanzieren, indem man einen
Lombardkredit zum Kauf weiterer Anteile aufnimmt, die beleiht man dann wieder
und so fort. Im Nu hat man sich eine Aktiengesellschaft zusammengekauft.
Natürlich ist das stark vereinfacht, aber nach diesem Schema läuft's.“
Wir aßen schweigend weiter, bis Ferrant sagte: „Wie
bekomme ich Gewißheit?“
Agnes dachte mit gerunzelter Stirn nach. „Sie
könnten die Finanzaufsichtsbehörde um eine formelle Überprüfung bitten. Damit
bekämen Sie die Namen der Käufer heraus. Allerdings wäre das ein
außergewöhnlicher und nicht unbedingt empfehlenswerter Schritt. Wenn man sich
erst einmal an diese Leute gewandt hat, nehmen sie jede Transaktion und jeden
einzelnen Makler unter die Lupe. Bevor Sie eine solche Entscheidung treffen,
müßten Sie den Aufsichtsrat befragen. Ich könnte mir vorstellen, daß einige
Direktoren nicht gerade erfreut sind, wenn ihre Aktiengeschäfte vor der
Öffentlichkeit ausgebreitet werden.“
„Was bleibt sonst noch übrig?“
„In jeder Maklerfirma gibt es eine Art Kontaktmann.
Wenn Sie Barnetts Liste haben, können Sie alle anrufen und fragen, in wessen
Auftrag sie tätig waren. Zur Auskunft ist allerdings niemand verpflichtet. Es
verstößt nicht gegen das Gesetz, wenn jemand versucht, eine Firma aufzukaufen.“
Die Kellner trieben sich um unseren Tisch herum.
Nachtisch? Kaffee? Ferrant nahm sich geistesabwesend ein Stück Apfelkuchen. „Meinen
Sie, Sie könnten diese Kontaktleute zum Reden bringen, Agnes? Ich sagte schon
zu Vic, daß ich mich mit dem ganzen Börsenkram nicht auskenne. Selbst wenn Sie
alle Fragen mit mir absprechen würden, wüßte ich nicht, ob ich die richtigen
Antworten bekäme.“
Agnes ließ drei Zuckerstücke in ihren Kaffee fallen
und rührte heftig um. „Das wäre ganz unüblich. Zeigen Sie mir doch die Liste
der Makler, dann kann ich Ihnen mehr sagen. Sie könnten aber auch Barnett um
eine Liste der Leute bitten, auf deren Namen die Aktien registriert wurden.
Sollte ich den einen oder anderen Makler oder Käufer gut kennen, so könnte ich
vielleicht dort anrufen.“
Sie sah auf die Uhr. „Ich muß wieder ins Büro.“ Sie
winkte einen Kellner herbei und zeichnete die Rechnung ab. „Bleibt doch ruhig
noch sitzen.“
Ferrant schüttelte den Kopf. „Ich rufe lieber in
London an. Dort ist es jetzt nach acht. Unser Generaldirektor müßte zu Hause
sein.“
Ich ging mit ihnen weg. Es hatte aufgehört zu
schneien. Der Himmel war wolkenlos, und die Temperatur fiel. Das Außenthermometer
einer Bank zeigte zwölf Grad minus. Ich begleitete Roger bis zum Ajax-Gebäude.
Als wir uns verabschiedeten, lud er mich für Samstag abend ins Kino ein. Ich
nahm die Einladung an und wanderte ins Büro, um meinen Bericht über die
geklauten Lagervorräte fertigzustellen.
Auf der Fahrt nach Hause überlegte ich, wie ich an
jemanden herankommen könnte, der etwas von Wertpapierfälschungen verstand.
Fälscher sind ins Abseits geratene Graveure - und ich kannte sogar einen.
Zumindest indirekt.
Dr. Charlotte Herschel, von mir Lotty genannt, war
in Wien geboren und in London aufgewachsen, wo sie Medizin studiert und ihr
ärztliches Examen abgelegt hatte. Sie wohnte in der Sheffield Avenue - knapp
zwei Kilometer von mir
Weitere Kostenlose Bücher