Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
Vom Netzwerk:
Es ist rot und wütend, wenn ich einem Verbrechen auf der
Spur bin, entspannt und wohlwollend, wenn er in mir die Tochter seines alten
Kumpels Tony sieht. Heute bedachte er mich mit einem ernsten Blick, als er den
Hörer auflegte. Es würde Ärger geben. Ich trank einen Schluck Kaffee und
wartete ab.
    Er drückte auf einen Schalter seiner
Gegensprechanlage und hüllte sich in Schweigen, bis kurz darauf ein junger
Dunkelhäutiger ins Zimmer kam. In der einen Hand hielt er einen Stenoblock,
in der anderen eine Tasse Kaffee für seinen Chef. Er wurde mir als Officer Tarkinton
vorgestellt.
    „Miss Warshawski ist Privatdetektivin“, erklärte
Mallory. Er buchstabierte meinen Namen. „Officer Tarkinton wird unser Gespräch
mitstenografieren.“
    Die Formalitäten sollten mich wohl einschüchtern.
Irritiert nippte ich an meinem Kaffee.
    „Warst du mit Agnes Marie Paciorek befreundet?“
    „Bobby, ich habe den Eindruck, als brauchte ich
einen Anwalt. Worum geht's eigentlich?“
    „Antworte nur auf meine Fragen. Den Grund erfährst
du früh genug.“
    „Meine Freundschaft mit Agnes ist kein Geheimnis. Da
kann dir jeder Auskunft geben, der uns beide kennt. Im übrigen antworte ich
erst, wenn ich weiß, was hinter der Sache steckt.“
    „Wann bist du Agnes Paciorek zum erstenmal
begegnet?“
    Schweigend nahm ich einen Schluck aus der
Kaffeetasse.
    „Eine Zeugin behauptet, du hättest Miss Paciorek zu
einem unkonventionellen Lebensstil verführt. Hast du dazu etwas zu sagen?“
    Ich spürte, wie ich langsam in Wut geriet. Es fiel
mir schwer, mich zurückzuhalten. Die Masche kannte ich: Reize den Zeugen so
lange, bis sein Mundwerk mit ihm durchgeht; er fällt dann schon in die Grube,
die er sich selbst gegraben hat. In meiner Zeit als Pflichtverteidigerin habe
ich das häufig erlebt. Ich zählte auf italienisch bis zehn und wartete.
    Mallory umklammerte die Schreibtischkante. „Du
hattest ein lesbisches Verhältnis mit der Paciorek, gib's zu!“ Plötzlich fiel
er aus der Rolle. Seine Faust krachte auf den Tisch. „Als Tony im Sterben lag,
hast du an der Uni perverse Sexorgien gefeiert! Es reichte nicht, daß du gegen
den Krieg demonstriert hast und an dieser widerlichen Abtreibungsinitiative
beteiligt warst. Wir hätten dich damals glatt kassieren können. Aber wir
wollten das Tony nicht antun. Du hast ihm alles bedeutet. Und die ganze Zeit -
mein Gott, Victoria. Kotzen hätte ich können, als ich heute früh mit Mrs.
Paciorek darüber redete.“
    „Hast du etwas gegen mich vorzubringen, Bobby?“
    Er kochte innerlich.
    „Wenn nicht, dann gehe ich jetzt.“ Ich stand auf und
ging zur Tür. Die leere Styroportasse ließ ich auf dem Schreibtischrand stehen.
    „Halt, Lady. Erst wollen wir doch mal einiges
klarstellen.“
    „Da gibt's nichts klarzustellen“, gab ich kühl
zurück. „Denn erstens ist lesbische Liebe unter Erwachsenen kein Straftatbestand,
und es geht dich einen Dreck an, ob wir Lesbierinnen waren. Zweitens hat meine
Beziehung zu Miss Paciorek nicht das geringste mit der Mordsache zu tun. Falls
du anderer Ansicht bist, müßtest du mir das erklären, ich habe nämlich absolut
nichts dazu zu sagen.“
    Wir starrten uns eine Zeitlang wütend an. Dann bat
Bobby den Stenografen mit unbewegter, beleidigter Miene, uns allein zu lassen.
Als er gegangen war, stieß er hervor: „Ich hätte dir zur Befragung einen
Kollegen schicken sollen. Zum Donnerwetter, Vicki...“
    Er schwieg. Obwohl ich immer noch kochte, tat er mir
doch ein bißchen leid. „Weißt du, was mich kränkt, Bobby? Daß du Mrs. Pacioreks
Geschichten unbesehen glaubst, obwohl sie dir zum erstenmal in deinem Leben
begegnet ist. Mich kennst du seit meiner Geburt, und mich fragst du nicht mal.“
    „Also gut. Jetzt frag' ich dich. Was kannst du mir
über Agnes Paciorek erzählen?“
    „Ich bin Agnes im College begegnet. Ich machte mein
Jura-Vorsemester, sie studierte Mathematik, entschied sich jedoch später für
Betriebswirtschaft. Ich kann dir nicht beschreiben, was uns damals bewegte -
dafür würde dir jegliches Verständnis fehlen. Manchmal glaube ich, ich werde
nie mehr so ein intensives Lebensgefühl haben wie damals.“
    Eine Welle von Erinnerungen stürzte auf mich ein.
„Dann war der Traum zu Ende. Wir mußten den Tatsachen ins Auge sehen und unsere
Brötchen verdienen. Den Rest kennst du. Ich glaube, am meisten habe ich mich an
meine Ideale geklammert. So was passiert häufig bei Kindern von Einwanderern.
Sie sind so sehr auf

Weitere Kostenlose Bücher