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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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Paciorek gemeldet. Die Putzfrau Martha Gonzales fand ihre
Leiche mit zwei Kopfschüssen in einem Besprechungszimmer des Maklerbüros
Feldstein, Holtz& Woods, für die Miss Paciorek tätig war. Die Polizei
schließt Selbstmord nicht aus. Hören Sie anschließend ein Gespräch unseres
Reporters Mark Weintraub mit Sergeant McGonnigal direkt aus den Geschäftsräumen
im Fort Dearborn Tower.
     
    Ich landete beinahe im Straßengraben. Meine Hände
zitterten so sehr, daß ich auf dem Seitenstreifen halten mußte. Ich stellte den
Motor ab. Lastwagen donnerten vorüber und ließen mein kleines Auto erbeben. Bald
wurde es kühl im Wagen; meine Füße wurden langsam gefühllos. „Zwei Kopfschüsse,
und die Polizei schließt Selbstmord nicht aus“, murmelte ich vor mich hin. Der
Klang meiner Stimme brachte mich wieder zu mir. Ich startete und fuhr in
vernünftigem Tempo zurück in die Stadt.
    Der Lokalsender brachte die Meldung mit neuen
Einzelheiten in Abständen von zehn Minuten. Die Kugeln stammten aus einer 22er
Pistole, und da neben der Leiche keine Waffe gefunden worden war, schied
Selbstmord inzwischen aus. Miss Pacioreks Handtasche war in einer
verschlossenen Schublade ihres Schreibtischs entdeckt worden. Sergeant
McGonnigal verkündete mit von atmosphärischen Störungen leicht verzerrter
Stimme seine Theorie: Der Täter habe einen Raubüberfall geplant. Weil sie ihre
Handtasche nicht bei sich hatte, habe er sie in einem Wutanfall erschossen.
    Einem Impuls folgend, nahm ich den Umweg über Lottys
Wohnung; aber es brannte kein Licht, und so konnte ich meinen Kummer nicht
loswerden.
    Zu Hause zog ich ein warmes Hauskleid an und setzte
mich mit einem Glas Black Label ins Wohnzimmer. Meine Freundschaft mit Agnes
hatte in den goldenen Sechzigern begonnen. Sie stammte aus einer wohlhabenden
Familie. Ihr Vater war Herzchirurg an einer großen Klinik. Die Familie hatte an
allem etwas auszusetzen - an ihren Freunden, ihrem Lebensstil, ihren
Zukunftsplänen. Aber Agnes hatte sich nicht beirren lassen. Das Verhältnis zu
ihrer Mutter wurde immer gespannter. Ich würde Mrs. Paciorek anrufen müssen,
obwohl sie mich nicht leiden konnte, weil in mir all das verkörpert war, was
sie Agnes ersparen wollte. Ich goß mir noch einen Whiskey ein. Den brauchte ich
jetzt.
    Als das Telefon mich aus meiner trübseligen Stimmung
riß, fiel mir erst wieder ein, daß ich meinem anonymen Anrufer eine Falle stellen
wollte. Ich fuhr zusammen und warf einen Blick auf die Uhr: halb zwölf. Ehe ich
den Hörer abhob, angelte ich mir ein Diktiergerät vom Schreibtisch und
schaltete es ein.
    Es war Roger Ferrant, der durch Agnes' Tod sehr
verstört war. Seit den Zehn-Uhr-Nachrichten hatte er versucht, mich zu
erreichen. Zögernd sagte er: „Ich fühle mich schuldig an ihrem Tod.“
    Der Whiskey hatte meinen Geist schon ein bißchen
umnebelt. „Wieso? Hast du etwa einen Punk losgeschickt zum Fort Dearborn
Tower?“ Ich schaltete das Diktiergerät wieder aus.
    „Spiel nicht die Abgebrühte, Vic. Ich fühle mich
deshalb schuldig, weil sie wegen der Ajax-Sache Überstunden gemacht hat.
Tagsüber ist sie nicht dazu gekommen. Hätte ich sie nicht angerufen -“
    „Dann hätte sie wegen irgendeiner anderen Sache Überstunden
gemacht“, unterbrach ich ihn nüchtern. „Agnes blieb oft bis zum späten Abend im
Büro. Sie war eine vielbeschäftigte Frau. Außerdem habe ich dir ihre Nummer gegeben, und falls man jemandem die Schuld
geben will, dann mir.“ Ich trank einen Schluck Whiskey. „Aber ich kann mich
nicht schuldig fühlen.“
    Wir legten auf. Mein drittes Glas war leer. Ich
verstaute die Flasche im Einbauschrank im Eßzimmer und ging zu Bett. Als ich
die Nachttischlampe ausschalten wollte, wurde ich über eine Bemerkung stutzig,
die Ferrant gemacht hatte. Ich rief ihn vom Bett aus noch einmal an.
    „Ich bin's, Vic. Woher wußtest du, daß Agnes heute
abend an deiner Sache gearbeitet hat?“
    „Ich habe am Nachmittag mit ihr gesprochen. Sie
wollte nach Geschäftsschluß mit ein paar Kollegen reden.“
    „Persönlich oder am Telefon?“
    „Was? Ach so. Keine Ahnung.“ Er überlegte. „Ich weiß
nicht mehr genau, wie sie es formuliert hat. Aber ich hatte den Eindruck, es
handle sich um ein persönliches Gespräch.“
    „Du solltest zur Polizei gehen, Roger.“ Ich legte
auf und schlief sofort ein.
     
    10
Mixed Grill
     
    Auch wenn ich noch so oft mit einem Kater aufwache -
beim Trinken denke ich daran nie. Trockener Mund, rasende

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