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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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über den Säureanschlag auf
mich. Sie hatten ein schmeichelhaftes Foto verwendet, das im letzten Frühjahr
entstanden war. Unter den persönlichen Anzeigen befand sich wieder keine
Nachricht von Onkel Stefan.
    Am Montag morgen steckte ich meinen Revolver ins
Schulterhalfter, zog eine weite Tweedjacke über und fuhr ins Geschäftszentrum,
um einige Finanzmakler mit meinem Besuch zu beehren. Im Büro der Firma
Bearden&Lyman, die auch an der New Yorker Börse vertreten war, sagte ich
der Dame am Empfang, ich hätte sechshunderttausend Dollar zu investieren.
Stuart Bearden, ein eleganter Mittvierziger, kümmerte sich höchstpersönlich um
mich.
    Durch einen wahren Irrgarten von Zellen, in denen
ernsthafte junge Männer am Telefon hingen und gleichzeitig Daten in ihre Computer
eintippten, führte er mich in sein Büro am anderen Ende des Stockwerks. Er bot
mir Kaffee an und behandelte mich mit Hochachtung. In Zukunft würde ich mich
häufiger als reiche Frau ausgeben.
    Ich stellte mich als Carla Baines vor und
behauptete, Kundin von Agnes Paciorek gewesen zu sein; ich hätte einige tausend
Ajax-Aktien erwerben wollen, doch sie habe mir abgeraten. Nach ihrem Tod sei
ich nun gezwungen, mir einen neuen Makler zu suchen. Was wußte die Firma
Bearden&Lyman über Ajax? Würde sie mir ebenfalls abraten?
    Bearden zuckte nicht mit der Wimper, als er den
Namen Paciorek hörte. Er ließ sich darüber aus, wie tragisch ihr Tod sei, und
daß man sich nachts nicht mal in seinem eigenen Büro sicher fühlen könne, sei
ein wahres Trauerspiel. Dann hämmerte er auf den Tasten seines Computers herum
und verriet mir den neuesten Ajax-Kurs: 54 Punkte. „In den letzten Wochen ist
er gestiegen. Vielleicht hatte Agnes Paciorek einen Tip bekommen, daß er
seinen Höchststand erreicht hat. Sind Sie noch interessiert?“
    „Ich hab's nicht eilig. Es reicht, wenn ich mich in
ein bis zwei Tagen entscheide. Könnten Sie sich mal umhören, ob Sie etwas Neues
erfahren?“
    Er sah mich scharf an. „Wenn Sie sich diese
Investition schon seit einiger Zeit überlegt haben, dann wissen Sie sicher, daß
es Gerüchte über eine eventuelle Firmenübernahme gibt. Sollte an den Gerüchten
etwas dran sein, dann wird der Kurs vermutlich noch ein Weilchen steigen. Wenn
Sie investieren wollen, dann tun Sie's jetzt.“
    „Aber dann verstehe ich Miss Paciorek nicht. Warum
hat sie mir abgeraten?“
    Bearden rief einen Mitarbeiter an und unterhielt
sich kurz mit ihm. „Unserer Firma ist nichts bekannt, was gegen eine
Investition sprechen könnte. Es würde mich freuen, noch heute vormittag Ihre
Order zu erhalten.“
    Ich bedankte mich und erklärte, ich müsse mich noch
anderweitig erkundigen, bevor ich eine Entscheidung traf. Er gab mir seine
Karte mit der Bitte, ihm Bescheid zu geben.
    Das Büro der Firma Bearden&Lyman lag im
vierzehnten Stock über der Börse. Bis zu meinem nächsten Opfer, der Firma Gill,
Turner &Rotenfeld hatte ich es nicht weit: Es ging nur elf Stockwerke mit
dem Aufzug abwärts.
    Gegen Mittag, nach Besuchen bei drei verschiedenen
Maklerbüros, ging ich völlig ausgepumpt essen. Ein großes Bier und eine
Portion Sauerbraten machten mich wieder fit für den Nachmittag. Bis jetzt
hatte ich überall das gleiche gehört wie bei Stuart Bearden: Sie kannten die
Gerüchte - und sie drängten mich zum Kauf. Keiner reagierte bestürzt auf Agnes'
Namen oder auf mein Interesse für Ajax. Vielleicht hatte ich die Sache falsch
angepackt. Vielleicht war ich auf der falschen Fährte. Vielleicht war Agnes
wirklich einem Einbrecher in die Quere gekommen, der es auf Computer abgesehen
hatte...
    Auch am Nachmittag konnte ich feststellen, daß eine
Frau mit sechshunderttausend Dollar in der Tasche überall hofiert wird. Ich
hatte immer nur mit den Geschäftsinhabern zu tun, Tilford & Sutton machte
da keine Ausnahme: Preston Tilford empfing mich persönlich. Die Firma war
mittelgroß, wie die anderen auch. Die Empfangsdame dirigierte mich zu Tilfords
Büro. Seine Sekretärin - eine freundliche wuschelköpfige Dame Ende Vierzig -
bat mich, sofort bei ihm einzutreten. Tilford war ein Nervenbündel. Er hatte
seine Fingernägel bis aufs Fleisch abgekaut. Das mußte nicht unbedingt auf
Schuldbewußtsein hindeuten, zumindest nicht, was Agnes betraf; denn die
meisten Makler, mit denen ich an diesem Tag gesprochen hatte, waren nervös und
hektisch gewesen. Wahrscheinlich ging ihnen das ständige Auf und Ab an der
Börse auf die Nerven.
    Während ich meinen Spruch

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