Fromme Wünsche
richtig“, bemerkte der Bischof. Sein Akzent
war so stark, daß man ihn fast nicht verstand. „Wir sind so guten Christinnen
wie Mrs. Paciorek sehr zu Dank verpflichtet.“
Cecilia biß sich nervös
auf die Unterlippe. Vielleicht hatte sie auch Angst, ich könnte etwas Falsches
sagen oder tun. „Bitte geh jetzt, Victoria, bevor Mutter merkt, daß du hier
bist. Die Sache mit Agnes hat ihr schon genug zugesetzt.“
„Ich bin nicht einfach hereingeschneit. Dein Vater
und dein Bruder haben mich hergebeten.“
Zwischen Nerz- und Zobelpelzen, unter denen
Brillanten hervorblitzten, kämpfte ich mich zur anderen Seite durch, wo ich Dr.
Paciorek zuletzt gesehen hatte. Auf halbem Weg beschloß ich, lieber hinter den
Kübelpflanzen an der Wand entlangzugehen statt quer durchs Zimmer. Auch dort
standen Leute in kleinen Grüppchen zusammen, plaudernd und rauchend. Einige
Herren führten ein politisches Gespräch. Plötzlich wurde mir eiskalt: diese
Stimme! Ich hatte sie vor zwei Tagen am Telefon gehört. Hinter dem Orangenbaum
stieß ich auf eine große Gruppe. Ich sah den rotgesichtigen, weißhaarigen Mann,
der Mrs. Paciorek in der Kirche an ihren Platz geführt hatte, ferner O'Faolin
und in der Mitte, das Gesicht mir zugewandt, Agnes' Mutter. Auch mit Ende
Fünfzig sah sie noch gut aus. Aber die jahrelange Erbitterung hatte ihre Spuren
hinterlassen. Als sie mich sah, vertieften sich die Falten auf ihrer Stirn.
„Victoria! Ich hatte dich ausdrücklich gebeten,
nicht zu kommen. Was willst du hier?“
„Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie sprechen. Ihr
Mann hat mich gebeten, am Trauergottesdienst teilzunehmen, und Philip hat mich
hinterher ins Haus eingeladen.“
„Ich habe gestern dreimal bei dir angerufen und
jedesmal hinterlassen, daß ich dich bei der Beerdigung meiner Tochter nicht
sehen möchte. Tu nicht so, als ob du davon nichts wüßtest.“
„Tut mir
leid, Mrs. Paciorek. Sie haben
mit dem Auftragsdienst telefoniert, und ich hatte keine Zeit mehr, dort anzurufen.
Aber ich hätte Ihre Anweisungen ohnehin nicht befolgt. Dafür hat mir Agnes
zuviel bedeutet.“
„Zuviel bedeutet!“ Ihre Stimme klang gepreßt vor
Empörung. „Was fällt dir ein, in meinem Haus solche schmutzigen Anspielungen
zu machen?“
„Schmutzige Anspielungen?“ wiederholte ich. Dann
fing ich an zu lachen. „Ach, Sie glauben immer noch, daß Agnes meine Geliebte
war. Nein, nein. Wir waren nur gut befreundet.“
Ihr Gesicht hatte sich mit dunkler Röte überzogen,
als würde sie auf der Stelle der Schlag treffen. Der Weißhaarige faßte mich am
Arm. „Meine Schwester hat Ihnen doch deutlich genug gesagt, daß Sie hier nicht
erwünscht sind. Ich glaube, Sie sollten jetzt gehen.“ Nein, diese dröhnende
Stimme hatte mich nicht am Telefon bedroht.
„Aber natürlich. Ich möchte mich nur noch von Dr.
Paciorek verabschieden.“ Er versuchte, mich in Richtung Tür zu schieben, doch
ich befreite mich mit einer heftigen Bewegung, blieb inmitten der Menschen
hinter Mrs. Pacioreks Rücken stehen und spitzte die Ohren. Vergeblich. Die
sanfte, unpersönliche Stimme ohne jeden Akzent war nicht mehr zu hören.
13
Nachtschicht
Am späten Nachmittag brachte mir Ferrant eine Kopie
von Barretts Liste vorbei. Er war ernst und förmlich und nahm nicht einmal den
Drink, den ich ihm anbot. Er ging die Makler mit mir durch, erklärte, daß
keiner der registrierten Aktienkäufer bei der Ajax versichert gewesen sei, und
empfahl sich.
Mir kamen weder die Namen der Makler noch die der
neuen Aktienbesitzer, die in den meisten Fällen sogar identisch waren, bekannt
vor. Barrett schrieb in seinem Begleitbrief, das sei unmittelbar nach einem
Aktienerwerb der Normalfall. Bis zur Registrierung des tatsächlichen Käufers
vergingen in der Regel etwa vier Wochen.
Eine Maklerfirma erschien gleich mehrere Male:
Wood-Sage Inc., LaSalle Street 120. Unter dieser Adresse waren auch drei
weitere Makler verzeichnet - eine Tatsache, die nur auf den ersten Blick
interessant erschien; denn als ich nachsah, stellte ich fest, daß dort auch die
Börse untergebracht war.
Vor Montag konnte ich mit der Liste nicht viel
anfangen. Deshalb konzentrierte ich mich auf die Rugby-Meisterschaftsspiele.
Zum Abendessen ließ ich mir eine Pizza kommen. Obwohl die durchgeladene Smith
& Wesson neben meinem Bett lag, schlief ich sehr unruhig.
Die Sonntagsausgabe des Herald-Star brachte gleich auf der ersten Seite seiner Streiflichter aus Chicago eine nette kleine Geschichte
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