Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
Vom Netzwerk:
aufsagte, malte er
unentwegt Männchen. „Ajax“, meinte er, als ich fertig war. „Hm. Ich weiß nicht
recht. Ich habe immer sehr viel von Agnes Pacioreks Meinung gehalten. Im
übrigen geben wir im Augenblick auch keine Kaufempfehlung, Mrs. Baines. Wir
sind der Ansicht, daß die Gerüchte über eine Firmenübernahme absichtlich in die
Welt gesetzt wurden, um den Kurs zu manipulieren. Die Sache kann jeden Moment
schiefgehen. Wenn Sie an Wachstumsaktien interessiert sind, kann ich Ihnen
gern welche empfehlen.“
    Er zog einen Stapel Prospekte aus einer Schublade.
Zwei steckte ich in die Tasche. In Kürze, so versprach ich ihm, wollte ich mich
wieder melden. Auf dem Weg zu Nummer sieben auf meiner Liste instruierte ich
den Auftragsdienst, auch Anrufe für Carla Baines entgegenzunehmen.
    Um halb fünf hatte ich Barretts Liste durchgeackert.
Bis auf Preston
Tilford hatten sich alle für den Erwerb von Ajax-Papieren ausgesprochen. Er
war auch der einzige, der den Übernahmegerüchten keinen Glauben schenkte. Das
allein besagte jedoch noch nichts weiter, als daß er möglicherweise mehr Fingerspitzengefühl
besaß als die anderen Börsenmakler. Auf jeden Fall wich seine Meinung ab, und
das war ungewöhnlich. Hier mußte ich ansetzen.
    Zu Hause zog ich mich erst einmal um: Jeans und
Pullover, Stiefel mit flachen Absätzen. Bevor ich mich wieder auf die Socken
machte, gelang es mir nach unendlichen Mühen, Phil Paciorek in einem Labor der
Chicagoer Uni aufzutreiben, wo er Überstunden machte.
    „Ich bin's, V. I. Ich hätte gern den Namen eines
Mannes gewußt, der gestern bei euch im Hause war. Leider kenne ich nur seine
Stimme. Ich weiß nicht, wie er aussieht.“ Ich beschrieb die Stimme, so gut es
ging.
    „Das könnten viele gewesen sein“, meinte er
unschlüssig.
    „Keinerlei Akzent“, wiederholte ich. „Mittlere
Stimmlage. Keine Besonderheiten.“
    „Tut mir leid, Vic. Fehlanzeige. Wenn mir jemand
einfällt, rufe ich dich an.“
    Ich gab ihm meine Nummer und legte auf. Handschuhe,
Windjacke, die Dietriche - schon war ich ausgerüstet. Als ich die Eingangshalle
der Börse betrat, forderte mich der Wachtposten auf, meinen Namen in eine
Liste einzutragen. Er verlangte keinen Ausweis, deshalb schrieb ich den
erstbesten Namen hin, der mir in den Sinn kam: Derek Hatfield. Ich nahm den
Lift zum fünfzehnten Stock, vergewisserte mich, daß sich die Türen zum
Treppenhaus auch von innen wieder öffnen ließen, und richtete mich auf längeres
Warten ein.
    Um neun kam ein Wachtposten die Treppe hoch. Ich versteckte
mich in einer Toilette auf dem Flur. Um elf gingen auf der Etage die Lichter
aus. Die Putzfrauen packten ihre Sachen zusammen und verabschiedeten sich auf
spanisch voneinander.
    Ich wartete noch eine halbe Stunde, aber es blieb
alles ruhig. Nun verließ ich das Treppenhaus. Die Taschenlampe brauchte ich
nicht; die Beleuchtung der Notausgänge war hell genug. An der Bürotür der Firma
Tilford & Sutton leuchtete ich die Kan ten ab, um festzustellen, ob
sie durch eine Alarmanlage gesichert war. Dann griff ich zu meinem Handwerkszeug,
und nach einigen Versuchen war die Tür offen.
    In diesem Raum gab es keine Fenster. Es war
stockfinster, nur die grünen Cursors huschten über die leeren Bildschirme. Mir
lief ein Schauer über den Rücken, und ich faßte unwillkürlich an die Stelle im
Nacken, wo mich die Säure verätzt hatte. Mit Hilfe meiner Taschenlampe fand ich
den Weg zu Tilfords Büro. Da ich nicht wußte, in welchen Abständen der Nachtwächter
auf seiner Runde vorbeikam, wollte ich kein Licht machen. Minutenlang mußte
ich im Dunkeln herumprobieren, bis ich auch Tilfords Bürotür geöffnet hatte.
Den Umgang mit dem Dietrich hatte mir einer der reizenden Mandanten aus meiner
Pflichtverteidigerzeit beigebracht. Aber ein echter Profi würde ich wohl nie
werden.
    Tilfords Tür war nicht verglast, deshalb brauchte
ich diesmal nicht zu befürchten, daß Licht nach draußen drang. Zuerst mußte ich
ausprobieren, welche Fächer des Schreibtischs und der beiden Aktenschränke
verschlossen waren.
    Ich arbeitete mit Handschuhen und so schnell ich
konnte, wußte aber nicht so recht, wonach ich eigentlich suchte. Im
verschlossenen Aktenschrank entdeckte ich die Unterlagen von Tilfords
Privatkunden. Ich machte ein paar Stichproben, aber mir schien alles in
Ordnung. Die Schwierigkeit war, daß mir nicht klar war, worauf ich achten
mußte. Darauf, daß ein Konto stark überzogen war? Nichts zu machen - seine
Kunden

Weitere Kostenlose Bücher