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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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schienen aus dem vollen zu schöpfen. Ich ging sehr vorsichtig mit den
Unterlagen um, veränderte nichts und ordnete sie wieder korrekt ein. Abgesehen
von einer Handvoll renommierter Chicagoer Geschäftsleute war mir keiner der
Kunden namentlich bekannt - bis ich zum Buchstaben P vordrang. Catherine
Paciorek, Agnes' Mutter, gehörte zum Kundenkreis.
    Mein Herz schlug schneller, als ich ihre Akte
herauszog. Auch hier war alles in Ordnung. Tilford & Sutton verwaltete nur
einen geringen Teil des sagenhaften Savage-Vermögens, das Agnes' Großvater
zusammengerafft hatte. Mir fiel auf, daß Mrs. Paciorek am 2. Dezember
zweitausend Ajax-Aktien gekauft hatte. Das war schon eigenartig. Sie besaß
erstklassige Wertpapiere und hatte wenig Umsätze gemacht. Aber 1983 hatte sie
nur Ajax gekauft! Ob es sich lohnte, dem nachzugehen?
    Sonst war niemand bei Ajax eingestiegen, obwohl auf
Tilfords Namen bedeutend mehr als Catherine Pacioreks zweitausend Aktien
registriert worden waren. Stirnrunzelnd wandte ich mich dem
Mahagonischreibtisch zu. Er war solide gebaut, und das Schloß im mittleren
Schubfach wollte einfach nicht aufgehen. Beim Herumfummeln mit dem Dietrich zerkratzte
ich schließlich das Holz.
    Tilfords Privatfach hielt eine Überraschung bereit:
Neben einer halbvollen Flasche Chivas fand ich eine beachtliche Sammlung wüster
Pornohefte. Angewidert blätterte ich den ganzen Stapel durch, nur um ja nichts
Wichtiges zu übersehen. Darauf brauchte ich einen Schluck Chivas - den hatte
ich mir redlich verdient. Aus dem untersten Schubfach förderte ich noch weitere
Kundenakten zutage: seine allerpersönlichsten und allergeheimsten womöglich. Es
waren nur neun oder zehn, darunter eine Organisation mit dem Namen Corpus
Christi. Ich erinnerte mich dunkel, erst kürzlich im Wallstreet Journal darüber gelesen zu haben. Es handelte sich um eine Gruppe
römisch-katholischer Christen, vorwiegend gut betucht, die vom Papst wegen
ihrer konservativen Ansichten, wenn es um Themen wie Abtreibung und kirchliche
Autorität ging, wohlgelitten war. Die Organisation unterstützte rechtsgerichtete
Regierungen mit engen Bindungen zum Vatikan. Nach Meinung des Wallstreet Journal wurde die Organisation vom Papst sogar so sehr geschätzt,
daß er einen spanischen Bischof an die Spitze berief, der ihm direkt
unterstellt war. Dies wiederum erregte den Unwillen des Erzbischofs von Madrid,
denn Laienorganisationen unterstanden im allgemeinen dem Bischof der jeweiligen
Region. Aber Corpus Christi war finanzkräftig, und die Missionsarbeit in Polen
kostete viel Geld. Natürlich wurde über diesen Zusammenhang nie gesprochen. Das Journal hatte lediglich diskret zwischen den Zeilen der Geschäftsbücher
gelesen.
    Ich sah mir die Umsätze an, die Corpus Christi
getätigt hatte. Die Transaktionen hatten im vergangenen März in kleinem Rahmen
begonnen. Im Laufe des Jahres entwickelte sich eine rege Geschäftstätigkeit,
deren Umfang bis Ende Dezember mehrere Millionen Dollar erreichte. Allerdings
fand sich nirgends ein Hinweis, in welche Papiere das Kapital investiert worden
war. Ajax, wie ich hoffte.
    Laut Barretts Aufstellung hatte die Firma Tilford
& Sutton sich ziemlich bei Ajax engagiert. Doch außer der Abrechnung über
Mrs. Pacioreks Kauf von zweitausend Aktien hatte ich im ganzen Büro nichts
gefunden, was diese Tatsache belegte. Wo waren die Kauf- und Verkaufsbelege von
Corpus Christi? Weshalb lagen sie nicht in der Akte wie bei den übrigen
Kunden? Ich sah mich in allen Büroräumen nach einem Safe um; im Lagerraum fand
ich so ein modernes Ungetüm, das nur geöffnet werden konnte, wenn jemand die
richtigen achtzehn Ziffern in die Elektronik eingab - also nicht von mir. Wenn
die Unterlagen von Corpus Christi dort eingeschlossen waren, dann lagen sie
sicher.
    Von der Turmuhr der nahen Methodistenkirche schlug
es zwei. Rasch fotokopierte ich im Hauptraum beim spärlichen Licht meiner
Taschenlampe die Corpus-Christi-Akte und die Akte Paciorek.
    Ich war gerade fertig, als der Nachtwächter seine
Runde machte und durch das Glasfenster hereinsah. Dumm von mir, daß ich
Tilfords Bürotür offengelassen hatte. Während der Nachtwächter seinen Schlüssel
suchte, schaltete ich das Fotokopiergerät aus und sah mich verzweifelt nach
einem Versteck um. Unter dem Fotokopierer lagerten die Papiervorräte in einem
Schränkchen. Meine Einssiebzig waren kaum darin unterzubringen, aber irgendwie
quetschte ich mich hinein und zog die Tür zu, so gut es ging.
    Der

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