Fromme Wünsche
Woher kannte er die Pacioreks?
Das Requiem wurde lateinisch gesungen. Ich fragte
mich, was Agnes wohl zu diesem gewiß prächtigen, aber irgendwie archaischen
Ritus gesagt hätte - Agnes, die in vielen Dingen so modern dachte. Vielleicht
hätte ihr die Großartigkeit des Ganzen gefallen.
Beim Hinausgehen hielt Phil Paciorek mich auf. Er
war etwa zehn Jahre jünger als Agnes und ich. „Bei uns drüben gibt's noch einen
Imbiß. Darf ich dich und deine Freundinnen dazu einladen?“
Hilfesuchend sah ich Lotty an, doch die zuckte nur
die Achseln. Also sagte ich zu. Vielleicht konnte ich bei dieser Gelegenheit
feststellen, was Pelly hier zu suchen hatte.
Seit meinem zweiten Studienjahr war ich nicht mehr
bei den Pacioreks gewesen. Das Haus lag dicht am See, soviel wußte ich, aber
ich verfuhr mich einige Male, bis ich die Arbor Road wiederfand. Man betrat das
Haus, ein seltsames Ding mit Flügeln und Anbauten, wo niemand sie vermutete,
durch einen kastenähnlichen Vorbau. Als ich hier noch ein und aus ging, hatten
Agnes und ich immer den Seiteneingang benutzt, der auch zu den Ställen führte.
Ein Hausmädchen führte uns in den sogenannten Wintergarten,
wo der Empfang stattfand. Wir mußten ein paar kleine Marmortreppen hinauf- und
hinuntersteigen und zweimal rechts um die Ecke biegen, bis wir endlich dort
waren. Zur Einrichtung gehörten eine Orgel, Bücherwände und etliche
Kübelpflanzen.
Phil hatte uns entdeckt und kam zur Begrüßung
herüber. Er studierte im letzten Semester Philosophie und Medizin an der
Universität von Chicago. „Vater hält mich für verrückt.“ Er grinste. „Ich will in
der neurobiologischen Forschung arbeiten und nicht in der Neurochirurgie, wo
das große Geld zu machen ist. Ich glaube, Cecilia ist die einzige, die nicht
aus der Art schlägt.“ Cecilia, eine jüngere Schwester von Agnes, stand neben
der Orgel und unterhielt sich mit Pater Pelly und dem zweiten Bischof. In ihrem
teuren schwarzen Schneiderkostüm sah sie mit dreißig schon aus wie ihre Mutter.
Als Phil mit Phyllis ins Gespräch gekommen war,
bahnte ich mir einen Weg durch die Menge in Richtung Orgel. Cecilia gab mir
nicht die Hand. „Mutter hat gesagt, du kämst nicht.“ Das hatte ich schon von
Phil gehört - nur daß er sich freute, während sie sauer reagierte.
„Mit ihr habe ich gar nicht gesprochen, Cecilia.
Dein Vater hat mir gestern am Telefon gesagt, daß ich kommen könne.“
„Mutter hat erzählt, sie habe dich angerufen.“
Ich schüttelte den Kopf. Nachdem sie mich
anscheinend nicht vorstellen wollte, sprach ich den Bischof an. „Ich bin V. I.
Warshawski, eine alte Schulfreundin von Agnes. Pater Pelly und ich kennen uns
vom Sankt-Albert-Kloster.“ Auch er machte keine Anstalten, mir die Hand zu
geben.
Pelly sagte: „Das ist Seine Exzellenz Xavier
O'Faolin.“ Beinahe hätte ich einen Pfiff ausgestoßen. Xavier O'Faolin war
verantwortlich für die Finanzen des Vatikans. Sein Name war im Zusammenhang mit
dem Banco Ambrosiano und dem Finanzskandal im letzten Sommer häufig durch die
Presse gegangen. Die Banca d'Italia hatte den Verdacht laut werden lassen, er
habe bei den betrügerischen Machenschaften seine Hand im Spiel gehabt. Der
Bischof, halb spanischer, halb irischer Herkunft, mußte aus irgendeinem
südamerikanischen Land stammen. Feine Freunde hatte sie, diese Mrs. Paciorek.
„Sie waren beide mit Agnes befreundet?“ fragte ich
ein bißchen boshaft.
Pelly zögerte zunächst, doch als der Bischof nicht
antwortete, sagte er kühl: „Wir sind mit Mrs. Paciorek befreundet. Als Mr.
Paciorek in Panama stationiert war, haben wir uns kennengelernt.“
Dr. Paciorek hatte seine medizinische Ausbildung in
der Armee erhalten und in der Kanalzone Dienst getan; dort war auch Agnes zur
Welt gekommen. Es war mir entfallen, daß sie ziemlich gut Spanisch gesprochen
hatte. Paciorek hatte es weit gebracht als armer Leute Kind.
„Sie interessiert sich wohl für Ihre
Dominikanerschule in Ciudad Isabella?“ Ich hatte die Frage im Plauderton
gestellt, doch Pelly schien davon unangenehm berührt. Was hatte er denn?
Glaubte er etwa, ich würde bei einem Begräbnis eine neue Diskussion über die
Rolle der Kirche in der Politik vom Zaun brechen?
Sichtlich gegen seine Gefühle ankämpfend, meinte er
schließlich reserviert: „Mrs. Paciorek ist an vielen karitativen Objekten
interessiert. Ihre Familie ist bekannt dafür, daß sie katholische Schulen und
Missionseinrichtungen unterstützt.“
„Das ist
Weitere Kostenlose Bücher