Fromme Wünsche
mir dagegen Kopfzerbrechen macht, sind die Kleidungsstücke, die ich dort
liegengelassen habe. Ob das Finanzamt mich anschwärzt, wenn ich die Sachen als
Geschäftsunkosten verbuche? Ich muß mal meinen Steuerberater fragen.“
„Tu das“, gab sie zurück. Ihr Wiener Akzent war
nicht zu überhören - wie immer, wenn sie sich über etwas ärgerte. „Und jetzt
geh. Erstens habe ich zu tun, und zweitens möchte ich jetzt nicht mit dir
reden. Ich bin nicht in der Stimmung dazu.“
Über den Einbruch wurde in den Spätausgaben der
Zeitungen berichtet. Die Polizei vermutete, daß der Nachtwächter den
Einbrecher überrascht hatte, bevor der irgendwelche Wertgegenstände an sich
nehmen konnte, denn es fehlte ja nichts. Was würden sie aus Dereks Namen auf
der Besucherliste schließen? Ich mußte irgendwie herauskriegen, ob sie Hatfield
deswegen verhört hatten.
Ich pfiff vor mich hin, als ich mich nach Melrose
Park auf den Weg machte. Lottys üble Laune änderte nichts daran, daß ich mit
mir sehr zufrieden war. Typisches Fehlverhalten aller Kriminellen: Erst landen
sie einen Coup, und dann brüsten sie sich damit. Früher oder später hört auch
die Polizei davon.
Als ich in die Mannheim Road einbog, begann es zu
graupeln. Das Sankt-Albert-Kloster erhob sich kalt und düster hinter dem
Graupelschleier. Ich versuchte, für den Wagen ein Plätzchen im Windschatten zu
finden, und kämpfte mich, nach Luft japsend, zum Eingang durch.
Die plötzliche Stille unter dem hohen Gewölbe der
muffigen Eingangshalle war beinahe körperlich zu spüren. Bevor ich am Empfang
nach Pater Carroll fragte, wärmte ich mich ein bißchen auf. Ich hoffte, daß es
noch zu früh war für die Abendandacht und zu spät für Unterweisung oder
Beichte.
Ungefähr fünf Minuten später kam Pater Carroll auf
mich zu. Er schritt zügig aus, aber ohne Hast, wie ein Mensch, der mit sich selbst
im reinen ist und seinen Frieden gefunden hat.
„Miss Warshawski! Schön, Sie zu sehen. Sind Sie
wegen Ihrer Tante gekommen? Sie hat Ihnen bestimmt gesagt, daß sie ab heute
wieder arbeitet.“
Das mußte ich erst verdauen. „Sie arbeitet? Hier?
Nein, sie hat nichts gesagt. Ich wollte... ich wollte Sie fragen, ob Sie mir
etwas über Corpus Christi erzählen können.“
„Hm.“ Pater Carroll nahm meinen Arm. „Sie frieren
ja! Wie wär's mit einer Tasse Tee bei mir im Büro? Sie können dann auch ein
bißchen mit Ihrer Tante plaudern. Pater Pelly und Pater Jablonski leisten ihr
Gesellschaft.“
Ich folgte ihm brav in sein Büro, wo Jablonski,
Pelly und Rosa im Vorzimmer um einen Konferenztisch saßen und Tee tranken.
Rosa trug ein einfaches schwarzes Kleid und um den
Hals ein silbernes Kreuz. Das stahlgraue Haar war in steife Wellen gelegt. Als
wir hereinkamen, hörte sie sich aufmerksam eine Erklärung Pellys an. Bei
meinem Anblick veränderte sich ihre Miene. „Victoria? Was tust du denn hier?“
Die Feindseligkeit trat so deutlich zutage, daß
Carroll uns erstaunt ansah. Rosa mußte das bemerken, aber ihre Abneigung saß
so tief, daß sie keine Rücksicht darauf nahm. Sie starrte mich weiterhin giftig
an. Ich ging um den Tisch und hauchte neben ihren Backen Küßchen in die Luft.
„Hallo, Rosa. Ich hab' schon von Pater Carroll gehört, daß sie dich
zurückgeholt haben. Als Finanzverwalterin, wie ich hoffe? Sehr schön. Albert
ist sicher ganz aus dem Häuschen.“
Sie sah mich gehässig an. „Gegen deine Bosheiten
kann ich nichts ausrichten, das ist mir klar. Aber vor diesen Patres hier wirst
du mich wenigstens nicht gleich wieder schlagen.“
„Kommt darauf an, welche Worte dir der Heilige Geist
in den Mund legt, Rosa.“ Ich wandte mich an Carroll. „Rosas Bruder war mein
Großvater, und ich bin seine einzige noch lebende Enkelin. Wenn Rosa mich
sieht, geht sie jedesmal hoch... Dürfte ich Sie jetzt um die versprochene Tasse
Tee bitten?“
Er war erleichtert, die Spannung überbrücken zu
können, und machte sich an einem elektrischen Wasserkessel zu schaffen. Als er
mir die Tasse reichte, fragte ich: „Bedeutet das, daß man den Fälscher entdeckt
hat?“
Er schüttelte den Kopf. Seine hellbraunen Augen
blickten sorgenvoll. „Nein. Pater Pelly hat mich jedoch überzeugt, daß Mrs.
Vignelli damit nichts zu tun haben konnte. Wir wissen ihre Arbeit sehr zu
schätzen. Wir wissen auch, wieviel sie ihr bedeutet. Es wäre eine unnötige
Schikane gewesen, sie monate- oder jahrelang zu Hause sitzen zu lassen.“
Pelly mischte sich ein. „Wir
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