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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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sind nicht einmal
sicher, ob der Fall jemals aufgeklärt wird. Das FBI scheint das Interesse verloren
zu haben. Wissen Sie irgend etwas darüber?“
    Ich zuckte die Achseln. „Ich bekomme meine
Informationen aus der Tageszeitung, und ich habe nicht gelesen, daß das FBI
den Fall zu den Akten legt. Was hat denn Hatfield gesagt?“
    „Überhaupt nichts“, meinte Carroll. „Aber seit die
echten Papiere aufgetaucht sind, haben sie anscheinend kein großes Interesse
mehr an der Sache.“
    „Kann schon sein. Derek erzählt mir ja nichts.“ Ich
trank einen Schluck des blaßgrünen Gebräus. Es erwärmte einen - das war alles,
was man zu seinen Gunsten sagen konnte. „Eigentlich bin ich aus einem ganz
anderen Grund hergekommen. Eine Freundin von mir wurde vergangene Woche
erschossen. Am Samstag erfuhr ich, daß Pater Pelly auch mit ihr befreundet war.
Sie kannten sie vielleicht - Agnes Paciorek.“
    Carroll schüttelte den
Kopf. „Wir haben diese Woche natürlich für sie gebetet, aber Augustin war der
einzige von uns, der sie persönlich kannte. Ich glaube kaum, daß wir Ihnen viel
über sie erzählen können.“
    „Ihretwegen bin ich gar nicht gekommen. Jedenfalls
nicht direkt. Sie wurde erschossen, als sie einem Engländer behilflich sein
wollte, den ich ihr vorgestellt hatte. Ich glaube, sie ging einer Sache nach,
die etwas mit der katholischen Laienorganisation Corpus Christi zu tun hatte.
Können Sie mir darüber etwas sagen?“
    Carroll lächelte ein
wenig. „Ich habe davon gehört, aber ich kann nicht viel dazu sagen. Sie agieren
gern im verborgenen. Selbst als Mitglied könnte ich Ihnen nicht weiterhelfen.“
    Rosa fauchte giftig: „Weshalb fragst du danach,
Victoria? Willst du die Kirche in den Dreck ziehen?“
    „Ich bin zwar nicht katholisch, Rosa, aber das heißt
noch lange nicht, daß ich deine Kirche grundlos schlechtmache.“
    Rosas Tasse fiel auf den blanken Linoleumboden. Sie
blieb zwar heil, aber ringsum war alles mit Tee bespritzt. Ohne sich um ihr
besudeltes Kleid zu kümmern, sprang sie auf und schrie: „Figlia di una puttana!
Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten, und laß die Gläubigen in Frieden!“
    Carroll wirkte betreten.
Hatte ihn Rosas unerwarteter Ausbruch so schockiert - verstand er Italienisch?
Er nahm sie am Arm. „Mrs. Vignelli, Sie steigern sich da in etwas hinein.
Wahrscheinlich hat Sie dieser fürchterliche Verdacht zu sehr belastet. Ich rufe
Ihren Sohn an. Er soll Sie abholen.“
    Er bat Jablonski, ein paar Handtücher zu holen, und
verfrachtete Rosa in den einzigen Sessel. Pelly hockte sich vor sie hin.
Lächelnd schalt er sie: „Die Kirche unterstützt und bewundert jeden, der für
sie eintritt, Mrs. Vignelli. Aber Begeisterung kann auch zur Sünde werden,
wenn sie nicht im Zaum gehalten und an der richtigen Stelle eingesetzt wird.
Behandeln Sie Ihre Nichte mit christlicher Nächstenliebe. Nur damit können Sie
sie für sich gewinnen. Mit Beleidigungen erreichen Sie nichts.“
    Rosa kniff ihre dünnen Lippen zusammen. „Sie haben
recht, Pater. Ich habe mich hinreißen lassen. Verzeihe mir, Victoria, ich bin
eben alt und gerate leicht aus der Fassung.“
    Ein junger Klosterbruder brachte einen Armvoll
Handtücher. Rosa nahm sie ihm ab und reinigte mit geübter Hand ihr Kleid, den
Tisch und den Fußboden. Sie schenkte Carroll ein kühles Lächeln. „Wenn ich
jetzt meinen Sohn anrufen dürfte...“
    Pelly und Carroll begleiteten sie ins Nebenzimmer,
und ich nahm auf einem der Klappstühle am Tisch Platz. Jablonski beäugte mich
mit lebhaftem Interesse.
    „Reagiert Ihre Tante immer so verschnupft auf Sie?“
    Ich lächelte. „Sie ist alt und regt sich schnell
auf.“
    „Es ist unglaublich schwierig, mit ihr
zusammenzuarbeiten“, sagte er plötzlich. „Wir haben im Lauf der Jahre wegen
ihr eine Menge Halbtagskräfte verloren. Sie hat an allem etwas auszusetzen. Gus
ist der einzige, auf den sie hört. Sogar auf Carroll geht sie los, und wer mit
ihm nicht zurechtkommt, muß schon überempfindlich sein.“
    „Und weshalb wird sie nicht entlassen? Warum macht
man so ein Theater, damit sie wieder zurückkommt?“
    „Sie ist ein Faktotum, auf das wir nicht verzichten
können.“ Er verzog das Gesicht. „Sie kennt die Bücher, sie ist tüchtig, und sie
bekommt sehr wenig bezahlt. Eine andere Kraft, die ebensoviel Sachverstand
besitzt und so fleißig ist, könnten wir uns gar nicht leisten.“
    Hochaufgerichtet wie immer kam Rosa in Pellys
Begleitung zurück. Sie

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