Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
Vom Netzwerk:
bloß, du bist bei
diesem fürchterlichen Wetter hier rausgefahren! Weiß Mutter, daß du kommst?
Komm rein, und wärm dich erst mal auf.“ Sie führte mich durch die Diele auf der
Rückseite des Hauses und an der Küche vorbei. „Vater sitzt in der Klinik fest.
Er kommt erst weg, wenn sie die Nebenstraßen geräumt haben. Wir essen in einer
halben Stunde. Kannst du so lange bleiben?“
    „Klar, wenn's deiner Mutter recht ist.“
    Ich folgte ihr in den vorderen Teil des Hauses, zum
sogenannten Familienzimmer, das wesentlich kleiner war als der Wintergarten.
Mrs. Paciorek saß mit einer Handarbeit am Kamin.
    „Schau mal, wer da ist.“ Barbara präsentierte mich
wie eine freudige Überraschung.
    Mrs. Paciorek blickte
auf. Eine senkrechte Falte erschien auf ihrer schönen Stirn. „Victoria, soso.
Ich muß dir wohl nicht vorheucheln, daß ich mich über deinen Besuch freue. Aber
ich wollte ohnehin mit dir sprechen und kann mir nun den Anruf sparen. Barbara,
laß uns bitte allein.“
    Das Mädchen war überrascht und schockiert von der
Feindseligkeit seiner Mutter. Ich sagte: „Barbara, du könntest mir einen
Gefallen tun. Ruf doch bitte eine Tankstelle an, und bestell mir einen
Abschleppwagen. Mein Omega wollte nicht mehr. Er steht einen Kilometer weiter
vorn.“
    Ich nahm mir einen Stuhl am Kamin, gegenüber von
Mrs. Paciorek. Als sie die Handarbeit unwillig zur Seite legte, erinnerte sie
mich an Rosa. „Victoria, du hast meine älteste Tochter verführt und ihr Leben
zerstört. Wundert es dich, daß du hier nicht willkommen bist?“
    „Catherine, das ist Quatsch. Und Sie wissen es selbst.“
    Sie lief rot an. Ich bedauerte bereits, daß ich so
unhöflich reagiert hatte. Heute hatte ich es aber auch dauernd mit erbosten
Frauen zu tun.
    „Agnes war ein feiner Mensch“, sagte ich leise. „Sie
sollten stolz auf sie sein und auf ihren Erfolg. Es gibt nur wenige, die so
viel erreichen - noch dazu als Frau. Sie war gescheit, und sie hatte Format.
Darin war sie Ihnen sehr ähnlich. Freuen Sie sich darüber - und erlauben Sie
sich, zu trauern.“
    Genau wie Rosa hatte sie jedoch ihren Ärger zu lange
mit sich herumgetragen. Er gehörte zu ihrem Leben, sie konnte nicht darauf
verzichten. „Ich werde dir nicht den Gefallen tun und mich mit dir streiten.
Immer, wenn ich eine Überzeugung vertreten habe, ging Agnes automatisch in
Opposition - ob es nun um Abtreibung ging, um den Vietnamkrieg oder um die
Kirche. Da war es am schlimmsten. Ich hatte gedacht, unser Name sei schon genug
in den Schmutz gezogen worden. Ich hätte vielleicht darüber hinwegsehen können,
doch daß sie sich öffentlich zu ihrer Homosexualität bekannte...“
    Ich riß die Augen auf. „In aller Öffentlichkeit? Sie
hat's mitten auf der LaSalle Street ausposaunt, wo sie jeder Taxifahrer hören
konnte?“
    „Du kommst dir wohl sehr witzig vor, wie? Die
Wirkung war die gleiche. Alle wußten es. Und sie war noch stolz darauf. Stolz!
Sogar Erzbischof Farber ließ sich herbei, ihr klarzumachen, wie sehr sie sich
an ihrem Körper versündigte. Ganz zu schweigen von ihrer Familie. Doch sie
lachte ihn aus, beschimpfte ihn sogar, mit Ausdrücken, die von dir hätten stammen
können. Natürlich hattest du sie dazu angestiftet, genau wie zu all den anderen
scheußlichen Dingen. Und dann hast du es noch gewagt, dieses lasterhafte Weib
zur Beerdigung mitzubringen.“
    „Darf ich mal neugierig sein, Catherine? Welche
Ausdrücke hat Agnes dem Erzbischof an den Kopf geworfen?“
    Wieder lief ihr Gesicht rot an. „Da haben wir's ja
wieder - deine Einstellung! Du hast vor niemandem Respekt.“
    Ich schüttelte den Kopf. „Ganz im Gegenteil. Ich
habe vor vielen Leuten Respekt. Vor Agnes und Phyllis zum Beispiel. Ich weiß
nicht, warum Agnes eine lesbische Beziehung eingegangen ist. Aber sie und
Phyllis liebten sich, und sie waren miteinander sehr glücklich. Phyllis ist
eine interessante Frau und außerordentlich gebildet. Lesen Sie doch mal ihr
Buch Sappho, die Widerspenstige, dann verstehen Sie vielleicht, worum es den
beiden in ihrem Leben ging.“
    „Wie kannst du dich unterstehen, diese Phyllis auch
noch zu loben!“
    Ich strich mir übers Gesicht. Das Kaminfeuer machte
mich ein bißchen benommen und schläfrig. „Darüber werden wir uns wohl immer
streiten. Aber vielleicht könnten wir uns darauf einigen, das Thema in Zukunft
zu vermeiden. Aus irgendeinem Grund tut es Ihnen gut, wenn Sie sich über den
Lebensstil von Agnes aufregen können. Und mir die

Weitere Kostenlose Bücher