Fromme Wünsche
vorgestern? Jedenfalls kannst du nicht
einfach abhauen und die andern stehenlassen wie bestellt und nicht abgeholt.“
Jetzt wurde auch ich ärgerlich. „Du hast mich nicht
gepachtet, auch wenn ich bei dir wohne! Ich bin Detektivin, und ich werde für
meine Ermittlungen bezahlt. Ich kann nicht jedem auf die Nase binden, was ich
vorhabe! Sonst bekäme ich alle Augenblicke eins übergebraten. Du hast der
Polizei alles erzählt, was du wußtest. Hättest du alles gewußt, was ich weiß, dann wäre ein bedauernswerter alter Mann jetzt nicht
bloß auf der Intensivstation, sondern man hätte ihn verhaftet.“
Roger sah mich kühl an. Er war ziemlich blaß.
„Vielleicht wäre es wirklich das beste, du würdest gehen, Vic. Eine zweite
Nacht wie gestern stehe ich nicht durch. Aber eins möchte ich dir noch sagen,
du Superfrau: Hättest du mich auf dem laufenden gehalten, dann hätte ich der
Polizei nichts zu erklären brauchen. Übrigens hatte ich sie auch nicht gebeten,
dir eins überzubraten, sondern dich zu beschützen.“
Ich war so gereizt, daß mir die Stimme nicht recht
gehorchte. „Ich brauche keinen Schutz, Roger. Ich käme ja auch nicht auf die
Idee, dich beschützen zu wollen, und wenn's in deiner Branche noch so
gefährlich zugeht.“ Ich stieg aus der Wanne. „In meiner Welt spielen die Leute
mit Feuer statt mit Geld. Aber das heißt nicht, daß ich beschützt werden will
oder muß. Was glaubst du, wie ich sonst hätte überleben können?“
Roger nahm ein Handtuch und begann ganz sachlich,
mir den Rücken abzutrocknen. Als er fertig war, legte er mir das Tuch über die
Schultern und drückte mich an sich. „Vic, ich muß wieder an die Arbeit... Du
hast recht - ich bin schon ein bißchen stolz darauf, daß ich auch aus dem
ärgsten Schlamassel mit heiler Haut herauskomme - ohne Hilfe. Und wenn du dich
da einmischen würdest, wäre ich stocksauer. Also - gepachtet habe ich dich
nicht. Aber wenn du plötzlich so weit weg bist von mir, dann möchte ich dich
schon gerne festhalten.“
„Das versteh' ich.“ Ich drehte mich zu ihm um.
„Trotzdem wäre es für uns beide leichter, wenn ich eine andere Unterkunft
fände. Aber in Zukunft sollst du immer wissen, wo ich bin.“ Ich stellte mich
auf die Zehenspitzen und küßte ihn zärtlich.
Das Telefon klingelte. Roger hob ab. „Für dich, Vic.“
Ich nahm den Apparat mit hinüber ins Schlafzimmer.
Phil Paciorek wollte wissen, ob ich immer noch an dem Mann mit der
unpersönlichen Stimme interessiert sei. „Erzbischof Farber gibt heute abend im
Hanover House Hotel ein Essen zu Ehren von O'Faolin. Weil Mutter der Kirche
jedes Jahr 'ne Million zukommen läßt, sind wir auch eingeladen. Es sind fast
alle da, die auf der Beerdigung waren. Möchtest du nicht meine Tischdame
sein?“
Ein erzbischöfliches Diner. Wie aufregend! Das hieß
festliche Kleidung. Ich mußte mir also etwas kaufen, denn alles, was sich
halbwegs für diesen Anlaß geeignet hätte, lag noch nach Rauch stinkend in
meinem Koffer. Da Phil bis sieben in der Klinik zu tun hatte, fragte er, ob es
mir etwas ausmachen würde, wenn wir uns gleich im Hotel träfen. Er wolle
zusehen, daß er um halb acht dort war. „Ich habe Bescheid gesagt, daß du
mitkommst. Du brauchst nur am Empfang deinen Namen zu nennen.“
Nach diesem Gespräch versuchte ich ein bißchen zu
schlafen, aber es gelang mir nicht. Lotty, Onkel Stefan, Don Pasquale, Rosa,
Albert, Agnes - in meinem Kopf fuhren die Gedanken Karussell. Um die
Mittagszeit gab ich's auf und versuchte, Lotty in ihrer kleinen Klinik zu
erreichen. Die Krankenschwester Carol Alvarado richtete mir aus, daß Lotty im
Augenblick keine Zeit habe, mit mir zu reden.
Ich ging weg, um mir ein Kleid zu kaufen. In einem
Geschäft gleich gegenüber fand ich ein auf Figur gearbeitetes knallrotes Kleid
aus Wollkrepp mit tiefem Rückenausschnitt. Ich bekam es zu einem Sonderpreis.
Wenn ich dazu die Diamantohrringe meiner Mutter trug, war ich eine
ausgesprochene Ballschönheit.
Nun nahm ich mir die Morgenzeitung vor und suchte in
der Rubrik „Vermietungen“. Nach einer Stunde Herumtelefonieren hatte ich ein
möbliertes Apartment an der Ecke Racine/ Montrose Street gefunden. Wieder
packte ich meine Habseligkeiten in den Koffer, schrieb Roger meine neue
Adresse auf und erwähnte auch, was ich am Abend vorhatte; schließlich versuchte
ich noch mal, Lotty anzurufen - ohne Erfolg.
Das Apartmenthaus hatte schon bessere Tage gesehen,
aber es wirkte sehr gepflegt. Für
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