Fromme Wünsche
irgend
etwas verschleierst, landest du im Knast. Notfalls buchte ich dich wegen
Drogenbesitz ein.“
„Ich nehme keine Drogen, Bobby. Wenn man in meiner
Wohnung welche finden sollte, dann wollte mich jemand aufs Kreuz legen.
Außerdem habe ich gar keine Wohnung mehr.“
Sein rundes Gesicht lief rot an. „Ich warne dich,
Warshawski. Noch zwei solcher Sätze, und du bist reif für die Psychiatrie.
Keine Zicken, keine Lügen. Verstanden?“
„Verstanden.“
Auf Bobbys Veranlassung ließen die Beamten in Skokie
die Anschuldigungen gegen mich fallen. Bobby nahm mich mit. Ich hätte mich
weigern können, denn offiziell war ich nicht festgenommen. Aber ich gab mich
keinen Illusionen hin.
Auf dem Revier an der 11. Straße wurde ich zum
Verhör gebracht. Der Ermittlungsbeamte Finchley, ein junger Schwarzer, der bei
unserer ersten Begegnung Uniform getragen hatte, kam als Protokollführer
hinzu.
Bobby ließ sich Kaffee bringen, schloß die Tür und
setzte sich an seinen überquellenden Schreibtisch.
„Und jetzt Schluß mit den Faxen. Ich will nur
Tatsachen hören, sonst nichts.“
Ich tat ihm den Gefallen und berichtete von Rosa und
den gefälschten Wertpapieren, von den Drohanrufen, dem Überfall im Treppenhaus
und Murrays Vermutung, daß es sich bei dem Täter um Walter Novick handeln
könne. Ich erwähnte auch den Anruf vom Morgen.
„Und was ist mit Stefan Herschel? Was wolltest du
gestern bei ihm?“
„Ich war rein zufällig dort. Ist er überm Berg?“
„Moment mal. Die Fragen stelle ich. Was hattest du
bei ihm zu suchen?“
„Er ist der Onkel einer Freundin. Du kennst ja Lotty
Herschel. Der alte Herr ist ein interessanter Typ. Er fühlt sich manchmal
etwas einsam. Er hatte mich zum Tee eingeladen.“
„Zum Tee? Und dann bist du dort eingedrungen?“
„Die Tür war offen, als ich kam. Das hat mich
stutzig gemacht.“
„Kann ich mir denken. Nur hat die junge Frau aus der
Wohnung gegenüber ausgesagt, die Tür sei geschlossen gewesen, und das habe sie stutzig
gemacht.“
„Es war einfach nicht abgeschlossen.“
Bobby hielt meine Dietriche in die Höhe. „Du hast
nicht zufällig einen von diesen hier benutzt?“
Ich schüttelte den Kopf. „Ich kann damit nicht
umgehen. Ich hab' sie als Andenken bekommen, als ich noch Pflichtverteidigerin
war.“
„Und jetzt schleppst du sie aus Sentimentalität mit
dir herum. Nach acht Jahren als Privatdetektivin? Also jetzt erzähl mal, was
los war!“
„Ich hab' dir alles erzählt, Bobby. Über den
Säureanschlag, über Novick, über Rosa. Warum sprichst du nicht mit Derek
Hatfield? Es würde mich wirklich interessieren, wer das FBI veranlaßt hat, aus
der Fälschungssache auszusteigen.“
„Ich spreche jetzt mit dir. Aber da wir schon einmal
bei Hatfield sind: Du hast keine Ahnung, wie sein Name in die Besucherliste
der Börse kommt? Und ausgerechnet an dem Tag, an dem bei Tilford & Sutton
eingebrochen wurde.“
„Hast du Hatfield schon gefragt?“
„Er sagt, er war nicht dort.“
Ich hob die Schultern. „FBI-Leute machen nie den
Mund auf, das weißt du.“
„Das gilt auch für dich, obwohl du wenig Grund zur
Zurückhaltung hättest. Weshalb bist du zu Stefan Herschel gegangen?“
„Weil er mich eingeladen hatte.“
„Klar! Gestern nacht ist deine Wohnung abgebrannt,
und heute ging's dir schon wieder so gut, daß du gleich zur Teestunde nach
Skokie gefahren bist. Verdammt noch mal, Vicki, sei doch ehrlich!“ Mallory war
jetzt wirklich gereizt, denn sonst hätte er kaum in Anwesenheit einer Frau
geflucht. Finchley sah besorgt aus. Auch mir war mulmig zumute, doch ich
konnte Stefan Herschel nicht verpfeifen. Der alte Herr wäre um ein Haar
ermordet worden wegen der Fälschungen; nun sollte er nicht auch noch verhaftet
werden.
Es war gegen fünf, als Bobby mich wegen
Aussageverweigerung für festgenommen erklärte. Man fotografierte mich, nahm
meine Fingerabdrücke und ließ mich zusammen mit einer Schar mißmutiger
Prostituierter in die Arrestzelle an der Ecke 26./California Street
verfrachten. Für die Damen war es in dieser Januarnacht im Gefängnis bestimmt
wärmer als in der Rush Street oder der Oak Street, denn die meisten von ihnen
trugen hochhackige Stiefel und Miniröcke. Zunächst verhielten sie sich ein
wenig ablehnend, als ich ihnen aber sagte, ich sei hier, weil ich meinen Alten
umgebracht hatte, nachdem er versucht hatte, mich zu ermorden, waren sie voller
Mitgefühl. Um acht Uhr wurden sie von ihren Zuhältern
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