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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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probieren.“
    Wir unterhielten uns dann eine Weile über ihre
Vorlesungen. Schließlich kam sie auf den Grund ihres Anrufs zu sprechen.
    „Agnes und ich hatten zusammen die New York Times
abonniert.“ Sie lächelte gequält und zündete sich eine neue Zigarette an - die
fünfte seit meiner Ankunft vor vierzig Minuten. „Agnes hat sich immer gleich
auf den Wirtschaftsteil gestürzt und ich auf die Buchbesprechungen. Sie hat
mich oft damit aufgezogen... Seit sie tot ist, lese ich auch den Wirtschaftsteil.“
Sie biß sich auf die Lippe und wandte den Kopf, um die Tränen zu verbergen, die
ihr über die Backen liefen. „Dann... dann ist sie mir irgendwie ganz nahe.“
    Den letzten Satz brachte sie nur flüsternd heraus.
„Daran ist doch nichts Absonderliches, Phyl. Ich glaube, wenn du gestorben
wärst, hätte Agnes sich auch plötzlich in Proust festgelesen.“
    Sie drehte den Kopf wieder mir zu. „Auf gewisse
Weise hast du ihr nähergestanden als ich. Ihr beide seid euch sehr ähnlich. Es
ist sonderbar - ich habe sie wahnsinnig geliebt, aber wirklich verstanden habe
ich sie, glaube ich, nicht. Ich war deswegen oft eifersüchtig auf dich, Vic.“
    Ich nickte. „Agnes und ich waren lange Zeit sehr
befreundet. Manchmal war ich auch auf dich eifersüchtig, weil du so eng mit ihr
verbunden warst.“
    Sie drückte die Zigarette aus und schien sich zu
entspannen. „Lieb von dir, daß du das sagst, Vic. Nun, jedenfalls habe ich
heute früh in der Times gelesen, daß jemand versucht, sich bei Ajax die
Aktienmehrheit zu verschaffen.“
    „Ich weiß. Agnes hat sich vor ihrem Tod damit
befaßt, und ich habe auch ein bißchen darin herumgerührt.“
    „Agnes' Sekretärin Alicia Vargas hat mir ihre
persönlichen Aufzeichnungen geschickt. Handschriftliche Notizen, die nichts mit
der Maklerfirma zu tun hatten. Ich habe alles durchgesehen, besonders ihr
letztes Notizbuch. Sie hat ja immer alles aufgehoben.“
    Sie ging zu einem Tischchen, auf dem ich zwischen
Stapeln von Harper's und The New York Review of Books auch ein paar Spiralblöcke liegen sah. Sie nahm den
obersten in die Hand, blätterte eine bestimmte Stelle auf und hielt sie mir
hin. Agnes' Handschrift war schwer zu entziffern. „12.1.“, stand dort, „R. F.,
Ajax.“ Das war einfach: Am 12.Januar hatte sie zum erstenmal mit Roger Ferrant
über Ajax gesprochen. Weitere Eintragungen in der gleichen Woche bezogen sich
anscheinend auf verschiedene Dinge, die sie beschäftigten. Aber dann am 18.
die dick unterstrichene Notiz: „12 Mill. Dollar, C-C für Wood-Sage.“
    Phyllis sah mich aufmerksam an. „Weißt du, Wood-Sage
für sich allein sagte mir gar nichts. Aber nachdem ich heute früh Zeitung
gelesen hatte... Und dann das C-C. Agnes hat mir von Corpus Christi erzählt,
und ich mußte annehmen -“
    „Ich auch. Wo zum Kuckuck hat sie das her?“
    Phyllis zuckte die Achseln. „Sie kannte viele
Börsenmakler und Anwälte.“
    „Darf ich mal telefonieren?“ fragte ich
unvermittelt.
    Ich wählte die Nummer der Pacioreks. Barbara hob ab;
sie freute sich offenbar über meinen Anruf. Ja, sie wäre froh, wenn Phyllis
sich mal melden würde. Mrs. Paciorek war zu Hause, doch sie weigerte sich, mit
mir zu sprechen, wie mir Barbara wenig später ziemlich verstört sagte.
    „Richte ihr aus, nächste Woche wird sie im
Herald-Star lesen können, daß Corpus Christi Eigentümerin von Wood-Sage ist.“
    „Corpus Christi?“ wiederholte sie fragend.
„Richtig.“
    Fünf Minuten vergingen, während ich die Times durchblätterte und hier und da ein paar Zeilen las. Dann
kam Mrs. Paciorek an den Apparat. „Barbara hat da wohl etwas durcheinandergebracht.“
Ihre Stimme klang gepreßt.
    „Dann sage ich's Ihnen ganz deutlich, Mrs. Paciorek:
Der Finanzaufsichtsbehörde ist natürlich bekannt, daß Wood-Sage sich eine
fünfprozentige Beteiligung an Ajax in Form von Aktien gesichert hat. Was sie
jedoch nicht weiß, ist, daß das Kapital zum größten Teil von Corpus Christi
aufgebracht wurde und daß Corpus Christi weitgehend von Ihnen durch das
Savage-Vermögen finanziert wird. Aktienrecht ist nicht mein Fachgebiet; aber
ich glaube, die Finanzaufsicht wird nicht besonders erbaut davon sein, daß Sie
diese Zusammenhänge bei der Registrierung verschwiegen haben.“
    „Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest.“
    „Sie müssen sich Ihre Antworten genau überlegen.
Wenn die Zeitungen von der Sache Wind bekommen, kaufen sie Ihnen das nämlich
nicht ab.“
    „Sollte jemand

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