Fromme Wünsche
und paßte hervorragend. Ich mußte nur noch
das Zubehör aus meinem Apartment holen. Atemlos kam mir Mrs. Climzak entgegen:
sie müßten sich überlegen, ob sie mich als Mieterin behalten könnten. Nachts
Männer einladen - so etwas käme bei ihnen nicht in Frage. Ich war schon an der
Treppe, aber dieser Anschuldigung wollte ich auf den Grund gehen. „Welche
Männer?“
„Ach, spielen Sie jetzt nicht die Unschuld! Die
Nachbarn haben den Mann gehört und den Nachtportier gerufen. Als der die
Polizei holte, hat sich ihr Freund verdrückt. Daran werden Sie sich doch wohl
noch erinnern?“
Sie redete noch, als ich schon nach oben raste.
Diesmal brauchte ich in dem schäbigen kleinen Zimmer nicht selbst chaotische
Verhältnisse zu schaffen; das hatte schon jemand anders für mich besorgt. Gott
sei Dank gab es nicht viel zum Herumwerfen - keine Bücher außer einer
Gideon-Bibel, keine Lebensmittel. Nur meine Kleidung, die Matratze aus dem
Schrankbett und das Küchengeschirr. Während ich die venezianischen Gläser
inspizierte, hielt ich den Atem an. Aber anscheinend gehörte der Eindringling
nicht zu den hemmungslosen Vandalen. Die Gläser standen unangetastet auf dem
kleinen Tisch.
„Verdammt!“ schrie ich. „Laßt mich doch endlich in
Ruhe!“ Ich schuf oberflächlich Ordnung; um gründlich aufzuräumen, fehlte mir
die Zeit - besser gesagt, die Lust. Am liebsten hätte ich mich eine volle Woche
ins Bett verkrochen. Nur hatte ich leider keins mehr - jedenfalls kein eigenes.
Ich zerrte die schwere Matratze wieder aufs Bett und
streckte mich darauf aus. Die Risse in der Decke bildeten ein feines Muster,
das sich genau wie meine Gedanken in sämtliche Richtungen verzweigte. Nachdem
ich es eine Viertelstunde lang verdrossen angestarrt hatte, beschloß ich,
logisch nachzudenken. Höchstwahrscheinlich hatte man in meinem Apartment die
Unterlagen gesucht, von denen ich Mrs. Paciorek gestern erzählt hatte. Kein
Wunder, daß sie mich erst heute empfangen wollte. Na gut! Nun würde sie
wenigstens eher mit der Sprache herausrücken. Catherine und der Einbruch waren
damit zunächst einmal abgehakt.
Ich fühlte mich jetzt wieder Herr der Lage. Rasch
zog ich Jeans und Stiefel an und packte das neue Gewand mit dem übrigen
Zubehör, das ich mir erst auf dem Fußboden zusammensuchen mußte, in eine
Einkaufstüte. Mein Schulterhalfter entdeckte ich nach fast einer halben Stunde
im Abstellraum. Ich blickte nervös auf die Uhr, denn ich hatte Angst, daß mir
die Zeit knapp werden könnte. Munition brauchte ich auch noch. Bis das ganze
Theater vorüber war, würde ich unbewaffnet nicht einmal zur Toilette gehen.
22
Mönch auf Abwegen
In Lincolnwood kaufte ich drei Dutzend Schuß
Munition für fünfundzwanzig Dollar. Inzwischen war es kurz vor drei, und wenn
ich rechtzeitig im Kloster sein wollte, blieb mir keine Zeit zum Mittagessen.
Ich holte mir in einem Lebensmittelladen einen Apfel und verspeiste ihn
während der Fahrt.
In Melrose Park suchte ich einen Parkplatz, zog
meine Jacke aus und das weiße Wollhabit über Bluse und Jeans. Ich schlang mir
den schwarzen Ledergurt um die Taille und befestigte den Rosenkranz auf der
rechten Seite. Ganz stilecht war es nicht, doch in der Dämmerung konnte ich als
Dominikanermönch durchgehen.
Bis ich den Wagen hinter dem Haupttrakt des Klosters
abgestellt hatte, war es halb fünf, die Stunde der Abendandacht. Ich wartete
noch gut fünf Minuten, bevor ich die Haupthalle betrat. Der schmächtige Junge
kauerte über einem geistlichen Werk und sah nur kurz auf. Als ich zur Treppe
ging statt zur Kapelle, sagte er: „Es ist Zeit für die Messe, Bruder.“ Dann las
er weiter.
Klopfenden Herzens erreichte ich den geräumigen
Treppenabsatz, von dem die geschwungene Marmortreppe in den oberen Bereich
des Klosters führte, der nur den Klosterbrüdern zugänglich war. Mich beschlich ein
Gefühl, als sei ich im Begriff, eine Freveltat zu begehen.
Ich hatte mir eine Art riesigen Schlafsaal
vorgestellt, wie in einem Krankenhaus des 19. Jahrhunderts. Statt dessen trat
ich in einen stillen hotelähnlichen Korridor mit Türen rechts und links. Zu
meiner großen Erleichterung befanden sich neben den unverschlossenen Türen
säuberlich beschriftete Namensschildchen. Jeder Bruder hatte sein eigenes
Zimmer.
Ich ließ den Blick flüchtig über die Schilder
wandern und klopfte vorsichtig an eine Tür ohne Namen. Das Zimmer enthielt nur
ein unbezogenes Bett und ein Kruzifix. Am anderen Ende des
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