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Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Marriott
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streifte über meine Narbe und ich biss mir auf die Lippe, um einen überraschten Aufschrei zu unterdrücken.
    Dann verflüchtigte sich die Erscheinung und ließ nichts weiter als eine leichte Kühle und eine brennende Wange zurück.
    Danke, Vater. Danke, Heilige Urmutter.
    Danke, Wolf.
    »Alles ist gut«, hauchte ich triumphierend. »Es ist bloß ein Kratzer.«
    Nachdem mein Befehl, Abstand zu halten, aufgehoben war, kam Arian näher und nahm meine blutende Hand. Seine rauen, schwieligen Finger berührten meine so sanft, als wäre ich aus Glas. So sanft, als hätte er noch immer tief in seinem Inneren Angst, dass er mich versehentlich verletzen könnte. Ich wusste nur zu gut, wie er sich fühlte; es war die gleiche Furcht, die mich mein ganzes Leben gequält hatte. Ich betete zur Urmutter, dass Arian eines Tages frei davon sein würde.
    »Ich bin froh«, sagte er schließlich. »Ich bin froh, dass … du keine Angst mehr zu haben brauchst.«
    Sein Blick hob sich langsam von meiner Hand zu meinem Gesicht. In seinem schimmerte Hoffnung – die Art Hoffnung, die sich am Rande der Verzweiflung bewegt. Ich drehte meine Hand in seiner und hielt seine Finger fest.
    »Ich kann nicht«, sagte ich sanft, aber entschieden. »Ich kann ihn nicht aufgeben.«
    Arian holte mit einem Zischlaut Luft und ich sah mit Entsetzen das plötzliche Schimmern in seinen Augen. Seine Finger zuckten, als wolle er mich loslassen, ich legte schnell meine andere Hand auf seine, um ihn festzuhalten.
    »Nicht. Nicht, Arian.« Eine warme Träne rollte mir übers Gesicht. »Es tut mir leid. Vielleicht, wenn ich Luca nie getroffen hätte –«
    »Dann hättest du mich auch nie getroffen. Oder falls doch, hätten wir uns gegenseitig massakriert«, sagte er mit einem gepressten Lachen. »Alles führt immer zu ihm zurück. Irgendwie … hält er einfach alles zusammen. Das hat er immer getan.«
    »Nicht mehr«, flüsterte ich. »Er hält sich im Moment nicht einmal selbst zusammen. Es ist etwas zerbrochen in ihm. Du liebst ihn genauso sehr wie ich, also sag mir – können wir ihn davon abhalten, die Berggarde umzubringen? Können wir ihn davon abhalten, sich selbst umzubringen? Ist der Versuch, ihn abzuhalten, es wert, alles zu riskieren, selbst unser Leben?«
    Ich starrte ihn eindringlich an und blickte in ihn hinein, wie Luca so oft in mich hineingeblickt hatte. Ich ließ ihn all meine Gefühle sehen und beobachtete, wie sich sein Kopf hob, als Stärke und Stolz in seine Augen zurückkehrten. Ich beobachtete, wie er seinen Glauben zurückgewann.
    »Ja.« In dem Wort schwang ein Anflug seiner ehemaligen Arroganz.
    Ich lächelte durch Tränen. »Sind wir also Freunde?«
    Arian hob meine Hände an seinen Mund und drückte vorsichtig einen flüchtigen Kuss auf meine blutenden Knöchel. »Freunde für immer.«
    In dieser Nacht konnte ich die feuchte Enge des Frauenzeltes nicht ertragen. Ich breitete mein Bettzeug im warmen Gras aus, im Schutz eines alten Baumes am Rande des Lagers, wo ich die leisen Geräusche des Flusses in der Schlucht hören konnte.
    Nachdem ich meine Decken ausgerollt hatte, legte ich mich auf die Seite, die Hand unter meinem Kopf, dabei achtete ich auf die heilende Wunde auf meinen Knöcheln. Am nächsten Tag würde sich wieder alles verändern. Doch mittlerweile jagten mir Veränderungen keine Angst mehr ein. Ich hatte einen Verbündeten – einen Freund –, der an meiner Seite kämpfen würde. Und gleichgültig, was passierte, ich würde nie wieder davonlaufen.
    Es war erstaunlich einfach, sich unter den sanft flüsternden Blättern und den funkelnden, schweigenden Sternen zu entspannen. Ich ließ mich von der Nacht in den Schlaf singen.
    Es mochte Minuten oder Stunden später sein, als ich eine Berührung an meiner Wange spürte. Etwas strich zart über meine Narbe und ich hielt die Luft an. Ich öffnete die Augen in der Dunkelheit.
    Ich sah eine verschwommene Bewegung, etwas Helles huschte so schnell davon, dass es längst verschwunden war, als mein Blick sich geklärt hatte. Ich starrte in die Dunkelheit und atmete den schwachen Duft von Geißblatt ein.

Einunddreißig
    Endlich erhob sich die Dämmerung über dem Berg und bleichte die niedrigen, schweren Wolken von Schwarz zu Purpur. Ich musste blinzeln, als ich über den Felsbrocken spähte, hinter dem ich mit Arian Schutz gesucht hatte. »Schneelicht« hätte Ma das hier genannt. Ein Zeichen für alle mit gesundem Menschenverstand, ins Haus zu gehen, weil ein Sturm aufzog.
    Der

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