Frostblüte (German Edition)
stürzt oder von Klippen in Flüsse springst. Und als mir klar wurde, dass du mich mochtest, wirklich mochtest – was außer Luca noch nie jemand getan hat –, konnte ich mich … nicht mehr selbst belügen.«
Er starrte mich verzweifelt an. Ich starrte sprachlos zurück.
Arian – Arian! – empfand etwas für mich? Mich? Liebte mich vielleicht sogar? Heilige Urmutter, dann hatte er eine seltsame Art, das zu zeigen!
Oder … oder vielleicht doch nicht so seltsam? Ich dachte an all die Stunden, die er mit mir verbracht hatte, als er mir geduldig beigebracht hatte, meine Ängste zu überwinden und zurückzuschlagen. Wie er mit mir am Feuer der Urmutter gesungen hatte. Wie ich mehr und mehr diesen seltsamen Ausdruck in seinen Augen wahrgenommen hatte, den ich für ein verstecktes Lächeln gehalten hatte. Ich erinnerte mich daran, wie er mich verlegen beruhigt und geküsst hatte, bevor Ion aufgetaucht war, und wie er, nachdem ich in das Feuer der Urmutter getreten war, statt mit Luca zu gehen, Tag und Nacht neben der Feuerstelle ausgeharrt und darauf gewartet hatte, dass ich herauskam.
Ich war eine Närrin.
Für einen Mann seines Charakters hatte mir Arian auf jede erdenkliche Art gezeigt, was er für mich empfand. Er hatte es quasi von den Dächern gerufen – hätte sich bloß jemand die Mühe gemacht hinzuhören. Hätte ich bloß hingehört …
Ich war hin- und hergerissen zwischen Dankbarkeit und Trauer. Er musste so viel gelitten haben, und das alles schweigend. Es gab einen Teil in mir, der auf die Qual reagierte, die in dieser Liebe lag, einen Teil in mir, der diese seltsame Mischung aus Elend und Trost wollte, die Arian mir bot. Weil er und ich einander ähnlich waren. In vielerlei Hinsicht ähnlicher als Luca und ich. Wir waren beide verlorene Seelen. Luca hatte uns eingefangen, zusammengebracht, uns das Gefühl gegeben, Teil von etwas zu sein … und uns dann wieder freigegeben. Es war natürlich, dass wir versuchten uns aneinander festzuhalten.
Aber genau das war das Problem, oder?
Vor nicht allzu langer Zeit, bevor ich eine Bergwächterin geworden war, bevor ich Lucas Liebe kennengelernt hatte, bevor ich den Mut aufgebracht hatte, in die Heilige Flamme zu treten, wäre ich so dankbar für solche Gefühle mir gegenüber gewesen, dass ich mich demjenigen wahrscheinlich rückhaltlos hingegeben hätte. Genau wie Arian, kalt und misstrauisch und verletzt, wie er war, sich nur deshalb in mich verliebt hatte, weil ich ihn nicht hasste. Einfach, weil ich da war. Isolation und Einsamkeit machten einen Menschen so empfänglich für die allerkleinsten Freundlichkeiten. War das nicht der Grund gewesen, warum ich mich ursprünglich in Luca verliebt hatte?
Doch Dankbarkeit, die Luca immer verachtet hatte, war nicht dasselbe wie Liebe. Sich an einen Menschen zu klammern, weil man so weniger einsam war, hatte nichts mit Liebe zu tun. Und was ich für Arian empfand, war keine Liebe, zumindest keine romantische Liebe. Es war Zuneigung und Verständnis und Freundschaft.
Luca war der Mensch, den ich liebte.
Für ihn war ich in die Heilige Flamme getreten. Nicht, weil er mich für unwürdig hielt – sondern das Gegenteil. Sein Glaube an mich hatte mich zu dem Menschen gemacht, den er immer in mir gesehen hatte. Ich war stark. Ich war tapfer. Ich war anständig. Und ich war gut genug für ihn. Selbst wenn Luca mich nicht mehr wollte, selbst wenn er mir niemals verzieh, war ich jetzt stark genug, um mir selbst gegenüber ehrlich zu sein. Ich war stark genug, ihn gegen alle Widrigkeiten weiter zu lieben.
Ich holte tief Luft, um mich zu beruhigen, und streckte die Hand nach Arian aus. Ich wollte ihn trösten – doch bevor ich etwas sagen konnte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er kam auf mich zu. »Frost, du hast dich an der Hand verletzt.«
Der Schlag in Arians Gesicht hatte die Haut auf zwei Knöcheln platzen lassen, Blutstropfen quollen hervor. Ich zuckte zurück und wehrte Arian mit meiner unverletzten Hand ab.
»Komm nicht näher«, warnte ich ihn.
Er erstarrte.
Ich zitterte, meine Muskeln zuckten unwillkürlich vor Angst. Dies war der Moment, in dem ich auf die Probe gestellt wurde. Wolf? Bist du da?
Frostige, kalte Luft umwehte mich, dann das Gefühl von Schwere, ein Druck. Ich wappnete mich. Einen Moment lang spürte ich, wie das große, haarige Geschöpf seine Schulter an mich drückte, roch sein feuchtes Fell, hörte den tiefen, gleichmäßigen Rhythmus seines Atems. Etwas Eisiges und Raues
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