Frostblüte (German Edition)
gegenüberstand und die Ohnmacht und das Bedauern in seinem einst kalten Blick sah, brachte ich es nicht über mich, ihm weiter auszuweichen.
»Es gibt nichts, was wir tun können, oder?«, flüsterte ich.
»Ich komme nicht an ihn heran. Ich glaube, das schafft niemand mehr.« Arian senkte für einen Augenblick den Kopf, dann richtete er sich auf. »Ich muss mit dir reden.«
Er ging auf die Bäume zu. Ich starrte ihm hinterher, dann folgte ich ihm mit einem Seufzen durch das Unterholz.
»Warum können wir nicht im Lager reden?«, rief ich.
Er gab keine Antwort.
Als wir zu einer kleinen Lichtung mit weichem Frühlingsgras kamen, blieb er stehen, reglos, gebeugt, mit dem Rücken zu mir. Das Sonnenlicht tanzte in kräuselnden Wellen aus Blaugrün und Gold über seine dunkle Gestalt.
»Du weißt, dass wir keine Chance haben zu gewinnen. Wirst du trotzdem bleiben?«, fragte er.
Ich fuhr nervös mit der Hand über meinen aufgesteckten Zopf. »Du kennst die Antwort doch schon.«
»Auch wenn wegzugehen das einzig Vernünftige ist?«
»Du gehst doch auch nicht.«
Er schwieg. Ich seufzte und trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Wenn er nur endlich sagen würde, was er von mir wollte. Ich öffnete den Mund, um ihn anzufahren – und schloss ihn wieder, mein Sinn für Gerechtigkeit meldete sich.
Es war ungerecht, die Schuld für alles, was passiert war, auf Arian abzuladen. Ich hätte ihn dort im Zelt stoppen können, aber ich hatte es nicht getan. Mit dieser Last musste ich selbst klarkommen. Genau wie Rani hatte ich einen Sündenbock gebraucht und Arian gewählt. Nachdem ich seine Schutzmauer durchbrochen hatte, mich als seine Freundin bezeichnet und ihm gesagt hatte, dass er sich auf mich ebenso verlassen konnte wie auf Luca, hatte ich ihn im Stich gelassen, um mich in meinem Elend zu suhlen. Mein Vater hätte sich für mich geschämt.
Ich trat etwas näher und redete mit sanfterer Stimme. »Es tut mir leid. Alles in Ordnung mit dir?«
Er schwieg. Ich überlegte, ob er mich gehört hatte, da fragte er plötzlich: »Was ist im Feuer mit dir passiert? Ich wusste von dem Moment an, als du herauskamst, dass sich etwas verändert hat, aber du hast nie darüber gesprochen. Hast du die Urmutter gesehen?«
Ich zögerte verdutzt und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht wirklich … Es ist nichts, worüber ich sprechen kann. Es würde sich nach Fieberträumen oder Unsinn anhören. Sie hat sich nicht gezeigt. Sondern mir gezeigt, wer ich bin. Ich weiß nicht, wie viel davon tatsächlich real war. Ich weiß nur, dass es kein Traum war, denn hätte ich geträumt, wäre ich verbrannt.«
»Dann bist du jetzt geheilt. Du hast bekommen, was du von Luca wolltest. Du solltest gehen.«
Ich sah ihn böse an. »Ich werde ihn nicht verlassen.«
Er wirbelte herum, Verzweiflung lag auf seinem Gesicht. »Warum nicht?«
In meinem Kopf kam alles zusammen. Ärger flammte wie Weißglut in mir auf und meine Faust traf Arian mit voller Wucht am Kiefer. Sein Kopf flog nach hinten. Der Schock vibrierte durch die Knochen meiner Hand, als er sich taumelnd an einem Ast festhielt.
»Alles – alles zwischen uns – dass du vorgegeben hast, mein Freund zu sein, dass du mich nach dem Überfall geküsst hast und dann noch einmal in Livias Zelt … Du hast bloß versucht mich loszuwerden! Heilige Urmutter! Willst du Luca um jeden Preis für dich ganz allein haben?«
Er ließ den Ast los und kam auf mich zu, den zerschrammten Kiefer vorgeschoben. »Nein! Hier geht es nicht um Luca! Es geht um dich! Ich möchte, dass du dich in Sicherheit bringst, bevor er dich in den Tod schickt.«
»Dir ist doch völlig egal, was mit mir passiert«, knurrte ich.
Wut und Enttäuschung wichen aus seinem Gesicht und er schien in sich zusammenzusacken. »Du bist mir nicht egal. Überhaupt nicht.«
Ich schluckte. »Was sagst du da?«
»Ich wollte ihn für mich allein haben, da hast du Recht«, murmelte er. »Als du hierherkamst, war ich so eifersüchtig, dass ich kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Ich konnte sehen, dass Luca etwas für dich empfand, und ich hasste dich dafür. Aber nachdem ich dich kennengelernt hatte, wie hätte ich weiter so fühlen können? Je mehr Zeit ich mit dir verbrachte, umso besser konnte ich … Es hat etwas damit zu tun, wie alles aufleuchtet, wenn du lächelst. Mit der Freundlichkeit in deinen Augen. Damit, dass du nicht tatenlos zusehen kannst, wie andere leiden, und dich ihretwegen in aussichtslose Kämpfe
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