Frostblüte (German Edition)
passiert«, sagte ich, nach Luft schnaufend. »Wenn – wenn ich verwundet werde –«
»Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert.« Er drehte sich nicht einmal zu mir um.
»Du verstehst nicht. Um dich mache ich mir Sorgen. Um dich und diese Frauen.«
Lucas Schritt wurde langsamer und dann hielt er plötzlich an. Ich blieb taumelnd stehen, der Wasserschlauch schwappte, als ich die Hände auf die Knie stemmte, um wieder zu Atem zu kommen.
»Falls ich verletzt werde«, sagte ich und starrte auf das sattgrüne Moos unter meinen Stiefeln. »Wenn du Blut an mir entdeckst, lauf weg. Nimm einfach die Frauen und lauf.«
»Das musst du mir schon etwas genauer erklären. Du hast gerade versprochen, dass du nicht versuchen wirst wegzulaufen –«
Ein Schnauben kam mir über die Lippen. » Du wirst derjenige sein, der wegläuft, nicht ich.«
»Wovon redest du? Wir haben jetzt keine Zeit für Rätsel!«, sagte er gereizt.
Ich richtete mich auf und blickte ihm in die Augen. »Ich verliere die Kontrolle. Wenn ich angegriffen werde und auch nur ein Tropfen meines Blutes vergossen wird, weiß ich nicht mehr, was ich tue. Das bin dann nicht mehr ich, verstehst du das?«
»Eigentlich nicht, nein.«
Ich gab ein Geräusch von mir, das zwischen Lachen und Schluchzen schwankte. Da hatte ich mir so viel Mühe gegeben, um mein Geheimnis zu wahren, und nun hörte er kaum zu. Ich verspürte den feigen Impuls, es einfach dabei zu belassen. Andererseits wusste ich nur zu gut, dass ich nicht in der Nähe von Menschen sein konnte, ohne ihnen den Tod zu bringen. Das war mein Fluch. Wenn ich vermeiden wollte, jemandem Schaden zuzufügen – selbst Luca –, musste ich dafür sorgen, dass er mich verstand. Und sobald das der Fall war, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis er mich den Priestern auslieferte. Meine Zeit war abgelaufen.
»Ich nenne es den Wolf«, sagte ich langsam, zwang die Worte förmlich heraus. »Wenn mein Blut im Kampf vergossen wird oder ich wütend bin, dann übernimmt er die Kontrolle. Er wird jedermann angreifen. Jeden in Reichweite. Freund oder Feind. Er hat bereits Menschen getötet. Wenn du also siehst, dass ich verletzt werde – wenn du Blut siehst –, musst du weglaufen und diese Mädchen mitnehmen, oder ich … er greift dich an.«
Luca starrte mich an. »Das war es, was am Abhang mit dir passiert ist, oder? Du hast versucht Arian zu retten, doch du wurdest verletzt und ab diesem Moment hattest du keine Kontrolle mehr über dich. Die Art, wie du gekämpft hast – das Heulen und Knurren …«
»Ich weiß, wozu mich das macht«, sagte ich müde und wich seinem Blick aus, in dem ich Angst und Widerwillen erwartete. »Ich weiß, was als Nächstes kommt. Doch ich will nur einmal etwas Gutes tun, bevor … bevor das passiert. Ich möchte helfen diese Frauen zu retten, und das kann ich nur, wenn du mir versprichst, dass du, sobald du mich bluten siehst, davonlaufen wirst, ohne dich umzudrehen.«
»Wir haben keine Zeit für so etwas«, sagte er, dieses Mal nicht gereizt, sondern nachdenklich. »Ich werde keine Versprechen abgeben, aber ich werde vorsichtig sein und ich werde darauf achten, niemanden in Gefahr zu bringen, der sich nicht verteidigen kann.«
»Luca –«
»Das ist keine Diskussion. Nun komm.«
Er rannte weiter. Ich folgte und innerhalb von Minuten war ich zu sehr außer Atem, um noch etwas zu sagen.
Acht
Als Luca das nächste Mal stehen blieb, donnerte mir das Blut wie ein wild rauschender Fluss in den Ohren. Nachdem er mir bedeutet hatte ruhig zu sein, ließ er sich auf den Boden fallen und kroch auf dem Bauch durch das Unterholz vor mir her.
Auf Händen und Knien versuchte ich seine Bewegungen nachzuahmen, ich setzte meine Hände dort auf, wo seine gewesen waren. Vermoderte Blätter und Erde quollen zwischen meinen Fingern hervor und ließen meine Hosenbeine feucht werden, als ich mich hinter Luca bis zu einem großen, moosbedeckten Felsbrocken vorschlängelte.
Der Geruch von Holzfeuer stieg mir in der Nase. Ich hörte Schafe ruhelos blöken und das leise Murmeln von Männerstimmen. Luca nickte mir zu, nachdem er hinter dem Felsbrocken hervorgespäht hatte. Sie sind es. Ich sah zwischen den Blättern hindurch.
Ein paar Schritte weiter war eine Felsnase, die über eine Spalte in der Bergwand ragte und so einen natürlichen Unterstand bildete. Zwei Sedrier – sie sahen sich ähnlich genug, um Brüder zu sein, beide waren rothaarig und muskulös – saßen vor der Höhle an einem
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