Frostblüte (German Edition)
sackte nur eine Handbreit neben meinem Versteck zusammen. Ein langes Rinnsal Blut floss über die Erde und das Moos auf mich zu und ich wich zurück.
»Birkin!«, rief der dritte Mann, als Luca auf ihn zueilte. Das Schwert des Mannes, matt vom angetrockneten Blut, schnellte hoch, um Lucas Waffe abzuwehren. »Birkin! Hilf mir!«
Dieser ältere Mann war schneller und umsichtiger als die beiden Brüder. Er versuchte weder anzugreifen noch zu fliehen, sondern wich Luca bloß aus, während er sich vorsichtig um das Feuer bewegte. »Birkin!«, schrie er erneut.
Lucas Körper schien zu verschwimmen. Er sprang hoch und beförderte den Räuber mit einem Tritt von der Feuerstelle zu den Felsen. Die beiden Rua-Frauen waren schon auf den Knien und zerrten an den Seilen, sie wandten die Augen nicht von dem Kampf.
Los, drängte ich sie in Gedanken. Los, ihr schafft das.
Hinter mir preschte etwas durch die Bäume. Ich drehte mich blitzschnell um.
Direkt vor mir stand ein Hüne von Mann mit gewaltigen Muskeln. Seine langen blonden Haare waren feucht und hingen ihm wirr um das frisch geschrubbte Gesicht. In einer Hand hielt er ein Handtuch und ein Stück Seife. In der anderen ein Breitschwert. Seine hellen Augen funkelten zornig.
Er kam einen Schritt auf mich zu. Ich schnellte hoch, stieß mich von dem Felsbrocken ab – und stolperte über die Leiche des Räubers, den Luca soeben getötet hatte. Ich fiel kopfüber auf die Lichtung und wäre beinahe im Feuer gelandet. Meine Haare knisterten. Ich rollte mich weg. Als ich mich wieder aufrappelte – das Messer noch immer fest umklammert –, fiel die Hirschkeule herunter und heißes Fett spritzte.
Birkins Schwert zielte nach meinem Bauch. Ich sprang zur Seite und fuchtelte wild mit Lucas Messer. Birkin zuckte noch nicht einmal. Es war wohl mehr als offensichtlich, dass ich vollkommen ahnungslos war, und die Reichweite seines Schwerts übertraf die meines Messers sowieso um eine Armlänge. Ich kam nicht an ihn heran. Ich wich einem weiteren Schwerthieb aus. Irgendwann würde er mich erwischen. Und dann …
Als ich panisch zu Luca hinüberblickte, sah ich, wie er sein Schwert aus der Brust des grauhaarigen Räubers zog. Ich fühlte eine Welle der Erleichterung. In diesem Moment stürzte sich Birkin mit lautem Gebrüll auf mich, sein Schwert, das er mit beiden Händen umfasst hielt, sauste auf mich nieder und würde mich gleich wie ein Schwein aufschlitzen.
Irgendetwas, wofür ich kein Wort hatte – nicht Furcht, nicht einmal Wut –, bebte kalt wie Eis durch meinen Körper. Ich schrie herausfordernd, mein Körper bewegte sich aus eigener Willenskraft. Sein Schwert zischte an der Stelle, wo ich wenige Augenblicke zuvor noch gestanden hatte, durch die Luft. Mein Messer blitzte zweimal auf.
Auf Birkins Brust erschienen zwei sich kreuzende Blutspuren, genau über dem Herzen. Er taumelte rückwärts. Sein Fuß landete im Feuer und er schrie, als er das Bein aus den brennenden Holzscheiten zog. Das Schwert noch immer fest umklammert, fiel er auf ein Knie.
Die ältere Rua-Frau tauchte hinter ihm auf. In den Händen, an denen noch das Seil baumelte, hielt sie die schwere Hirschkeule. Sie ließ sie mit einem dumpfen Wumm auf Birkins Schädel niedersausen. Einmal. Zweimal. Ein drittes Mal. Der Räuber verdrehte die Augen. Das Schwert fiel ihm aus der Hand. Er sackte auf die Erde.
Sie stand keuchend über ihm. Ihre Hände hielten den Knochen der Keule so fest umklammert, dass ihre Finger die gleiche bleiche Farbe zu haben schienen. Sie holte noch einmal mit ihrer Waffe aus.
Luca ging an mir vorbei und rammte sein blutverschmiertes Schwert in die Scheide. Mit erhobenen Händen deutete er an, dass er in friedlicher Absicht kam, und lenkte so die Aufmerksamkeit der Frau auf sich. »Ihr seid jetzt in Sicherheit«, sagte er. »Ihr seid in Sicherheit. Du kannst aufhören.«
Das junge Mädchen, das noch immer geknebelt war, kroch unter dem Vorsprung hervor und rannte zu seiner Mutter. Ein Schluchzen schüttelte den Körper der älteren Frau, sie ließ die Hirschkeule sinken. Dann schlang sie die Arme um das Mädchen und zog ihr sanft den Stofflappen aus dem Mund.
»Sie haben meinen Mann umgebracht«, sagte sie leise mit gebrochener Stimme. »Sie haben meinen Jungen umgebracht.«
»Das wissen wir«, sagte Luca. »Wir haben sie gefunden. Es tut mir so leid.«
Das Mädchen drückte ihr Gesicht an die Schulter der Mutter und weinte.
Der Rest des Tages verlief seltsam für mich. Es fühlte
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