Frostblüte (German Edition)
kleinen Feuer, auf dem eine gewaltige Keule briet. Fett tropfte in die Flammen und ließ eine bläuliche Rauchwolke aufsteigen. Ich schnupperte noch einmal. Wild. Ungeachtet der Gefahr knurrte mein Magen.
Von Zeit zu Zeit drehte einer der Männer das Fleisch mit einem Stock, während sein Bruder in einem Lederbeutel kramte, Kleidung und Gefäße herausholte und neben sich zu einem unordentlichen Haufen auftürmte. Die Beute ihres Überfalls auf den Bauern und seine Familie.
Ein dritter Mann saß etwas abseits von den anderen. Er war älter und hatte schütteres, eisengraues Haar. Er rieb mit einem Lumpen angetrocknete braune Flecken von seinen Händen.
Im Schatten des Felsunterstandes, hinter einem notdürftig zusammengeschusterten Weidengatter, das eine kleine Schafsherde zurückhielt, saßen zwei Rua-Frauen. Eine von ihnen war mittleren Alters. Die kleinere konnte nicht älter als vierzehn sein. Das Gesicht des Mädchens war mit Dreck und Tränen verschmiert, das linke Auge der Frau und ihre Nase blau und angeschwollen. Beide waren geknebelt und an den Händen mit Seil gefesselt, ihre Füße waren jedoch frei. Wenn sie die Möglichkeit bekamen, konnten sie davonlaufen.
»Birkin könnte sich mit seiner Wascherei auch ein wenig sputen«, brummte der ältere Mann und kratzte braunen Dreck unter seinen Fingernägeln hervor. »Hab noch nie jemanden erlebt, der sich wegen ein bisschen Blut so zimperlich anstellt. Warum muss der sich immer so blitzsauber schrubben?«
»So ist Birkin halt«, sagte einer der Brüder und schüttete die letzten Gegenstände aus dem Lederbeutel. »Und wenn du klug bist, wartest du auf ihn, wie er uns befohlen hat.«
»Ich warte doch, was willst du denn?« Der ältere Mann drehte den Kopf, um nach den Frauen zu sehen. »Versteh gar nicht, warum er sich Sorgen macht. Die Jüngere könnte was für Constantin sein, aber auf die alte Vettel hat er bestimmt keine Lust.«
Das Mädchen wimmerte durch ihren Knebel und ich spürte, wie Luca sich neben mir anspannte. Constantin. Der Anführer der Abtrünnigen. Sein Bruder. Als ich zu ihm hinüberblickte, sah ich seine Augen aufflammen wie einen Nachthimmel kurz nach einem Blitz.
Ich berührte ihn zögernd am Ellbogen und wartete auf einen Befehl. Er deutete mit einer bogenförmigen Fingerbewegung an, dass er weiter oben am Hang um das Lager herumlaufen würde. Ein nachdrücklicher Fingerzeig erst auf mich, dann auf den Boden, war das Zeichen, mich nicht vom Fleck zu rühren. Er entledigte sich seines schweren Bündels, zog den Riemen seines Schwerts wieder quer über den Oberkörper, dann bewegte er den Kopf von einer Seite zur anderen und streckte sich vorsichtig.
Ich wollte einwenden, dass ich ihm helfen konnte. Doch ich hatte ihm gerade von dem Wolf erzählt. Selbst wenn er mir abnahm, dass ich nicht davonlaufen würde, konnte ich nicht von ihm erwarten, dass er mir vertraute, niemandem Schaden zuzufügen. Ich nickte resigniert. Luca sah mich forschend an, dann zog er eines der langen Messer aus der Scheide an seinem Bein. Er drehte es um und hielt mir das Heft entgegen.
Ich starrte es ungläubig an. Er seufzte und drückte mir den Messergriff in die Hand. Bleib hier, formte er wortlos mit den Lippen. Ich nickte erneut und wog den kostspieligen, lederumwickelten Stahlgriff in der Handfläche. Die Klinge hatte die Form eines Blattes und war dünn geschliffen. Trotz der schrecklichen Umstände spürte ich ein schwaches Lächeln um meine Lippen spielen. Er vertraute mir tatsächlich – zumindest genug, um mir zu erlauben, mich zu verteidigen.
Lucas Hand lag noch immer warm auf meiner. Für einen kurzen Augenblick schoben sich seine langen Finger zwischen die meinen und drückten sie. Sei vorsichtig, formte er wortlos mit den Lippen.
Ich nickte wieder. Du auch.
Er ließ mich los und robbte außer Sicht. Ich konzentrierte mich auf die zwei gefangenen Frauen, die in der Dunkelheit kauerten, und biss die Zähne zusammen. Haltet noch ein bisschen durch. Er wird euch retten.
Luca trat auf die Lichtung und schlug dem einen Bruder mit einem einzigen Schwerthieb den Kopf ab. Ich musste angesichts der brutalen Schnelligkeit des Todes einen Aufschrei unterdrücken. Der andere Bruder brüllte los, ließ einige der geraubten Gegenstände fallen und griff nach einem Schwert, das neben ihm am Felsen lehnte. Bevor er es jedoch packen konnte, blitzte Lucas Waffe erneut auf. Der Schrei des Mannes verwandelte sich in ein seltsames Schluckaufgeräusch. Er
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