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Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Marriott
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zurückkam.«
    »Damit hast du doch deine eigene Frage beantwortet.«
    »Welche Frage?« Er rieb sich die Stirn und blinzelte müde.
    »Du hast Dinesh geholfen. Du hast ihn abgehalten, bevor es zu spät war; du hast ihm seinen Fehler vor Augen geführt. Du hast ihn getröstet und du hast ihm erlaubt zu bleiben und seine Tat wiedergutzumachen. Was hättest du mehr tun können?«
    Seine Worte kamen stockend, zögernd. »Ja, vermutlich hast du Recht.«
    »Luca, ich bin nicht hierhergekommen, weil ich erwartete, du … würdest mit den Fingern schnippen und mir meine Last nehmen. Ich wünsche mir bloß jemanden, der mir hilft, so wie du diesem Jungen geholfen hast. Du hast selbst gesagt, dass du Menschen zu nichts zwingen kannst. Sie müssen ihre eigenen Entscheidungen treffen und damit leben. Hab ein bisschen Respekt vor Dineshs freiem Willen – und meinem. Wir sind beide keine Kinder mehr.«
    Ein kleines Lachen, dieses Mal ein ehrliches, entschlüpfte ihm. »Ich habe verstanden. Nein, ihr seid keine Kinder. Ich werde mich also nicht mehr in Selbstmitleid suhlen.«
    Ich öffnete den Mund, besorgt, weil er meine Worte als Tadel aufgefasst hatte – doch als ich sah, dass das goldene Licht wieder in seinen Augen tanzte, kniff ich die Lippen zusammen. Es war mir gelungen, etwas Passendes zu sagen. Wenn ich das nicht zerstören wollte, hielt ich besser den Mund.
    »Also …«, fuhr Luca jetzt fort. »Versteh mich bitte nicht falsch, aber dürfte ich erfahren, warum du mir um diese Nachtzeit in meinem Zelt auflauerst, um mir die Leviten zu lesen?«
    »Weil ich keinen anderen Platz habe«, sagte ich mit einem Anflug von Trotz in der Stimme. »I-ich würde lieber in einer Höhle schlafen als in dem Frauenzelt mit den ganzen anderen, die schnaufen und vor sich hin murmeln und schnarchen. Livia meinte, du könntest einen Schlafplatz für mich finden.«
    »Hmm. Bist du sicher, dass das Frauenzelt nicht in Frage kommt? Vielleicht gewöhnst du dich ja daran.«
    Ich schüttelte nachdrücklich den Kopf und gelobte mir schweigend, mich davonzuschleichen und auf einem Baum zu schlafen, falls Luca nicht nachgab.
    Da er seufzte, hatte er meinen sturen Gesichtsausdruck offenbar bemerkt. »Und wie sieht es mit Livia aus? Ihr scheint ja ganz gut miteinander klarzukommen.«
    »Sie hat abgelehnt. Die Betten müssen für Notfälle frei gehalten werden.«
    »Da hat sie Recht.« Lucas Gesicht verdüsterte sich.
    Sicher dachte er über Birkin und Adela nach. Er schwieg eine Weile, dann sagte er: »Ich habe hier jede Menge Platz. Du hast letzte Nacht in der kleinen Ecke dort drüben gut geschlafen. Du könntest bei mir bleiben.«
    Ich erstarrte instinktiv, eisige Angst durchfuhr mich. Ich schüttelte wieder den Kopf – es war eine ruckartige, misstrauische Reaktion. Als er sich bewegte, zuckte ich zusammen. Doch er umfasste bloß seine Knie, die langen Finger schlangen sich fest ineinander. Er sah mich weiter ruhig und geduldig an. Der Schatten der Vergangenheit verflüchtigte sich, und statt mich zu fürchten, fühlte ich mich schuldig und undankbar. Luca hatte schon hundert Mal die Gelegenheit gehabt, mir etwas anzutun. Aber er hatte es nicht getan. Er würde es auch nicht tun. Er war … einer der Guten. Und nun hatte ich ihn beleidigt. Warum machte ich immer alles falsch?
    Ich hatte zu lange gezögert, Luca nickte resigniert. »Schon gut. Wie ich sehe, gefällt dir dieser Vorschlag nicht.«
    »Ich meinte nicht – es ist nicht so –« Ich stolperte über die Worte. »Ich vertraue dir, Luca. Wirklich. Aber … es gibt einen Grund, warum Männer und Frauen in getrennten Zelten untergebracht sind. Was würden die anderen denken, wenn ich hier schliefe?«
    Luca stieß den Atem aus und ein paar seidige Haarsträhnen flatterten hoch. Seine Wangen wirkten plötzlich leicht gerötet. »Frost, ganz gleich, welche Gedanken du bei den anderen befürchtest, sie denken sie höchstwahrscheinlich sowieso schon.«
    Ich konnte ihn nicht ansehen. »Tun sie das? A-aber warum?« Ich berührte meine heiße Wange. »Was hab ich denn getan?«
    »Du hast überhaupt nichts getan. Brauchst du auch nicht. Sie sind Soldaten. Sie tratschen, sie stellen wilde Vermutungen an, sie denken sich schmutzige Lieder aus. Normalerweise alles gleichzeitig.«
    »Über mich? Über dich?«
    »Über alle. Tut mir leid. Ich hätte dich vorwarnen sollen. Es ist nicht bösartig und keiner von ihnen verurteilt uns – es ist einfach ihre Art, sich zu amüsieren. Du wirst dich daran

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