Frostblüte (German Edition)
gewöhnen.«
Ganz bestimmt nicht. »Vielleicht, wenn du mit ihnen reden würdest …« Mir versagte die Stimme. »Das würde alles nur noch schlimmer machen, oder?«
»Ja. Und da es nichts gibt, was du oder ich jetzt noch dagegen tun können, ist es sinnlos, wenn du deine Entscheidung davon abhängig machst. Wenn du dich nicht wohl dabei fühlst, dein Lager hier aufzuschlagen, lasse ich mir etwas anderes einfallen. Ansonsten ist mein Zelt auch dein Zelt.« Er machte eine Verbeugung und deutete mit der Hand eine übertriebene, geckenhafte Geste an.
Ich spielte an meinem Wolfszahn herum und wich seinem Blick aus. »Gut. Gut, ich … Na ja, dann.«
Luca legte den Kopf schief, bis ich ihn ansah. Das Zucken seiner Mundwinkel war eine Einladung, das Absurde der Situation mit ihm zu teilen. Auch wenn ich nicht sicher war, dass ich die Sache genauso lustig fand, hoben sich meine Mundwinkel, und als Luca ein leises Lachen hören ließ, prustete ich los.
Die Zeltplane wurde hochgehoben. Arian kam herein, er wirkte ernst und besorgt. Als er Lucas leicht gerötetes, grinsendes Gesicht sah, blieb er wie angewurzelt stehen und sein Blick wanderte zu mir.
Das Gefühl, das ihm in diesem Moment ins Gesicht geschrieben stand, war so unmissverständlich, dass es mir wehtat. Arian war gekommen, um seinen Freund zu trösten – doch Luca brauchte seinen Trost nicht. Luca brauchte Arian nicht. Einen Augenblick später waren die Kränkung und die Eifersucht verschwunden, weggewischt von seinem normalen ausdruckslosen Blick. Aber es war zu spät. Ich hatte es gesehen. Und er wusste es.
»Was hat sie hier zu suchen?«, fragte er mit harter Stimme.
Lucas Lächeln wurde etwas schwächer. »Warum sollte Frost nicht hier sein?«
»Heilige Urmutter, Luca!«, polterte Arian so heftig, dass ich zusammenzuckte. »Warum ist sie überhaupt im Lager? Sie ist nicht mal hübsch!«
Luca schaute bei der gemeinen Bemerkung erst überrascht, dann zornig. Wieder meinte ich eine Sekunde lang ein Gefühl – Scham? – über Arians Gesicht huschen zu sehen, bevor er es überspielen konnte.
»Wir sind nicht – es ist nicht –« Ich stand auf. Ich wollte nicht die Ursache für ihre Wut und ihre Traurigkeit sein. Beides hatte ich in meinem Leben schon zu oft verursacht. »Ich glaube, ich gehe jetzt besser.«
»Du brauchst dich nicht zu verteidigen, Frost«, sagte Luca, als er sich ebenfalls erhob. »Und du brauchst nirgendwo hinzugehen. Arian, du benimmst dich wirklich rüpelhaft. Selbst für deine Verhältnisse.«
Arian schüttelte ungläubig den Kopf. »Das ist genau wie damals, als du beschlossen hast, diese Seilbrücke über den Wasserfall zu spannen. Und als du mir geschworen hast, das Hornissennest wäre leer. Und als du mir versprochen hast, der alte Kaufmann wäre harmlos. Dir fehlt jeglicher Selbsterhaltungsinstinkt! Du führst dich auf, als wärst du unsterblich, als könnte dir nichts etwas anhaben –«
»Nicht das schon wieder«, brummte Luca.
»Du weißt nicht, wer dieses Mädchen ist! Sie ist gefährlich! Sie hat uns verdammt noch mal fast umgebracht! Sie hat sich mit einem Löffel einen Fluchtweg aus der Zelle gegraben und dich einmal fröhlich den Berg hoch- und runtergejagt –«
»Und sie hat ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um dich und zwei unschuldige Zivilisten zu retten.«
»Das bedeutet aber noch lange nicht, dass du sie mit ins Lager bringen sollst! Warum willst du eine halbverrückte Fremde, die weder eine Kampfausbildung noch Erfahrung hat, bei der Berggarde haben?«
»Weil sie etwas Besonderes ist«, lautete Lucas schlichte Antwort. »Ohne dich zu kennen, hat sie sich zweimal zwischen dich und einen Räuber geworfen, einfach weil es das Richtige war. ›Man sollte Menschen nicht bitten müssen‹, lautete ihr Kommentar. So jemanden lässt man nicht einfach weggehen.«
Mein Gesicht glühte. Ich blickte sehnsüchtig zum Zelteingang.
»Du bist nicht für jeden Streuner verantwortlich, der dir über den Weg läuft«, knurrte Arian.
Als Luca weitersprach, war seine Stimme nur noch ein Flüstern. »Das willst ausgerechnet du mir erzählen? Wo wärst du denn jetzt, wenn ich nicht die Verantwortung für dich übernommen hätte?«
Ich wartete darauf, dass Arian noch mehr Gründe aufzählte, warum ich gefährlich war, doch Lucas Worte hatten die Auseinandersetzung offensichtlich beendet. Arian schluckte und blickte zu Boden. Dann wandte er sich zu meiner Überraschung zu mir. Den Blick beharrlich auf die Zeltwand gerichtet,
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