Frostblüte (German Edition)
zählt nicht. Das war Murks.«
»Er hat Recht. Eins zu eins«, rief Luca. »Weniger reden, mehr kämpfen.«
Arian drehte den Stab in einer Hand und verlagerte sein Gewicht wieder auf das linke Bein. Ich vermutete, er würde zu einem Sprungtritt ausholen, und machte mich bereit, nach rechts auszuweichen. Doch plötzlich stürzte er sich auf mich und schwang die Waffe mit beiden Händen. Überrumpelt zögerte ich eine Sekunde zu lange, um zur Seite zu springen. In dem Versuch, meinen Kopf zu schützen, riss ich den linken Arm hoch.
Der Stock traf mein gepanzertes Handgelenk mit einem dumpfen Aufschlag, der durch Leder und Metall hindurch im Knochen vibrierte.
Ich schrie und mein Schmerzensschrei, der mir in den Ohren hallte, wurde zu einem langen, gellenden Heulen. Meine rechte Hand zuckte ohne mein Zutun nach oben. Meine Finger umfassten den Kampfstock. Ich fühlte einen Kältestoß.
Arians Waffe brach mit einem Geräusch entzwei, das einem Donnerschlag ähnelte. Die zersplitterten Teile fielen ihm aus den Händen.
Wir standen beide reglos da. Ich starrte auf den zerbrochenen Stock am Boden und schauderte. Langsam und ängstlich blickte ich Arian ins Gesicht. Sein Lächeln brachte ein tiefes Grübchen in seiner linken Wange zum Vorschein, das mir noch nie zuvor aufgefallen war. »Luca hat dir seine Kniffe beigebracht.«
»I-ich – weiß nicht – ähm – was? Bist du nicht böse?«
Er runzelte die Stirn. »Warum sollte ich?«
»W-weil …«, ich holte schnell Luft, »weil ich deinen Kampfstock zerbrochen habe.«
»Ich kann mir jederzeit einen neuen besorgen. Schlägst du schon Steine entzwei?«
»Nein.« Meine Beine zitterten und mein Kopf war dumpf und schwer. Ich konnte den Sinn seiner Worte nicht erfassen. »Warum sollte ich das versuchen?«
»Weil ich das kann«, sagte Luca und kam den Hang hinauf auf uns zu. »Wenn ich will. Was nicht oft der Fall ist, denn es ist albern. Was du mit Arians Stock getan hast, gehört zu der Technik, die ich dir beigebracht habe, Frost. Wenn du dich auf die Energie deines Körpers konzentrierst und sie an einem Punkt sammelst und kanalisierst, kannst du außergewöhnliche Dinge tun.« Er warf mir einen strahlenden, zufriedenen Blick zu, in dem ich Erleichterung wahrnehmen konnte. »Du hast größere Fortschritte gemacht, als mir bewusst war. Ich habe mir Sorgen gemacht … aber das ist jetzt egal. Zeig mir mal deinen Arm.«
»Du brauchst nicht –«
Arian unterbrach mich. »Das war ein heftiger Schlag. Das sollte man sich ansehen.«
Luca umfasste meinen Unterarm mit beiden Händen, löste die Schnallen der Armschiene und streifte meinen Handschuh ab. Seine langen Finger bewegten geschickt meine Hand, bogen sie hin und her. Als ich wimmerte, hörte er auf und fuhr vorsichtig mit dem Daumen über eine tiefe, dunkelrote Strieme, die sich zweifellos zu einem eindrucksvollen blauen Fleck entwickeln würde. Ich hielt die Luft an. Hoffentlich hatte er es nicht bemerkt.
»Kein stechender Schmerz und kein Knacksen«, sagte er schließlich. »Livia soll etwas von ihrer Heilsalbe auftragen, ansonsten hat die Rüstung aber standgehalten.«
»Gut. Dann kann ich ja diesen ganzen Staub abwaschen gehen«, sagte Arian, als er sich nach den zwei Hälften bückte, die einmal seine Waffe gewesen waren. Staub rieselte von ihm herunter, er schüttelte den Kopf und schnaubte angewidert. »Wer ist bloß auf die Idee gekommen, ausgerechnet hier oben zu kämpfen? Wahrscheinlich einer, der sich für umwerfend schlau hält?«
Luca schlug Arian fröhlich auf den Rücken. Noch mehr Staub wirbelte auf. »Ach, hör auf, dich zu beklagen. Du bist ja schlimmer als eine Katze. Sobald du einen neuen Kampfstock hast …«
Die beiden liefen den Hang hinunter. Ich folgte langsam, dankbar, dass ich so über das, was gerade passiert war, nachdenken konnte, ohne dass mich einer von ihnen beobachtete.
Ich ballte und streckte meine verletzte Hand. Der Schmerz im Gelenk ließ schon nach und auch die rote Strieme verblasste. Ich drehte den Handschuh, den ich getragen hatte, nach außen. Das Leder war von Feuchtigkeit überzogen. Schweiß? Hätte ich früher nachgesehen, hätte ich dort Frost entdeckt?
Meine Zähne klapperten. Nein. Das war unmöglich. Es war kein Blut geflossen.
In diesem Moment blickte Luca über die Schulter. Sein Lächeln vertrieb die Kälte der Angst.
»Los, kommt«, rief Arian. »Mein ganzer Rücken juckt.«
Vater, hilf mir, den Wolf unter Kontrolle zu halten. Ich muss es
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