Frostblüte (German Edition)
uns der König geschickt hat. Hind, dies ist meine – Frost. Sie ist gerade erst zu uns gestoßen, aber sie wird einmal zu unseren Besten gehören. Sagt Hallo.«
Ich machte eine kleine Verbeugung, dann zwang ich mich, der fremden Frau die Hand so freundlich entgegenzustrecken, wie ich es bei den anderen Bergwächtern gesehen hatte, als sie einander begrüßten. »Freut mich, dich kennenzulernen.« Meine Stimme war kaum lauter als ein Murmeln, doch im Lärm rings um uns bemerkte sie das hoffentlich nicht.
Die Frau – Hind – löste sich von Luca, um meine Hand zu ergreifen. Niedergeschlagen stellte ich fest, dass ihre im Vergleich zu meiner sehr klein war. Fein, aber kräftig. Und sie hatte einen festen Griff. Sie war schlank und muskulös. Ich fühlte mich ungeschlacht und linkisch neben ihr, wie ein Ackergaul, der beschlossen hatte, sich auf die Hinterbeine zu stellen und Menschenkleider zu tragen.
»Ich freue mich auch, dich kennenzulernen«, erwiderte Hind. Ihr Blick wanderte langsam über meinen Körper und schätzte mich ein. »Oh, du bist wirklich groß, oder? Mit welcher Waffe kämpfst du am liebsten?«
»Lassen wir das besser«, unterbrach Luca, sein Lächeln verschwand unvermittelt. Er nahm Hind an der Hand und zog sie zurück, so dass sie mich losließ. »Ich möchte dir noch Adela vorstellen. Ihr zwei werdet euch bestens verstehen. Wir sehen uns später, Frost – stell nichts an.«
Luca tauchte in der Menge unter und zog eine sichtlich zögernde Hind, die mir zuzwinkerte, hinter sich her. Ich sah wieder zu Boden. Der tiefe Schmerz breitete sich aus. Alles in mir tat weh. Am liebsten hätte ich mich auf dem Rasen ganz klein zusammengerollt. Warum tut es so weh? Warum muss es wehtun? Ich rieb grob über mein Brustbein und schob den Wolfszahn beiseite.
Schließlich wurde mir bewusst, dass ich mit zerzaustem Haar und eilig übergestreiften feuchten Kleidern inmitten der fröhlichen schwatzenden Menge stand. Ich bückte mich, um den Eimer und das Stück Seife, das herausgefallen war, aufzuheben. Dann wollte ich mich in Lucas Zelt verkriechen.
Eine schwielige Hand griff vor mir nach der Seife.
Ich starrte Arian ausdruckslos an, blinzelte und nahm das Seifenstück entgegen. »Danke.«
»Gern geschehen.«
Wir richteten uns beide auf. Mit einem Kopfnicken wollte ich an ihm vorbeigehen. Er machte eine fahrige Geste, als wolle er mich am Arm festhalten, überlegte es sich dann jedoch anders. Ich blieb überrascht stehen.
Arian öffnete und schloss den Mund. Endlich sprach er: »Er kennt Hind seit Jahren. Sie sind Freunde. Weiter ist da nichts.«
Bevor ich über eine Antwort nachdenken konnte, war er schon weg und ließ mich sprachlos und mit brennendem Gesicht stehen.
Die Bergwächter begrüßten Hind und ihre Leute wie längst verloren geglaubte Familienmitglieder. Die normalen Pflichten und Beschäftigungen des Tages wurden aufgeschoben. Zeltplanen wurden hochgeschlagen. Kochfeuer geschürt. Krüge mit Bier wurden herangeschleppt und Fässer des starken Honig-Apfel-Mosts geöffnet, den die Bergwächter in Wagenladungen bestellten. Aus dem Verpflegungszelt wurden Speisen geholt, sowie Schemel und Decken und Kisten und alles, was sich sonst noch als Sitzgelegenheit verwenden ließ. Als das Licht schwächer wurde, zündete man ein großes Lagerfeuer in der Feuerstelle auf dem Versammlungsplatz an, wo sich alle trafen, die Musik machen wollten. Auf Trommeln, Flöten, Spießgeigen und Harfen spielten sie lebhafte und langsamere Volkstänze. Die Männer und Frauen, die kein Instrument spielten, forderten die Neuankömmlinge zum Tanz auf.
Die Lichtung war erfüllt von Lachen und Gesang und dem Duft des Lagerfeuers. Alle plauderten mit alten Freunden. Livia, bei der ich normalerweise Zuflucht gesucht hätte, saß in der Nähe des Feuers in ein Gespräch mit der neuen Heilerin vertieft, die die Verstärkung mitgebracht hatte – eine winzige Rua-Frau, die kaum alt genug schien, um Brot zu backen, geschweige denn Wunden zu nähen. So saß ich mit Luca, Arian und Hind auf einer Decke. Hind und Luca redeten und lachten völlig entspannt, während sie Klatsch austauschten über Lucas Leben im Palast und über Menschen, von denen ich nie gehört hatte. Selbst Arian, der zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, Bier trank, beteiligte sich gelegentlich mit einem Kommentar oder einer Frage.
Ich hielt meinen Wolfszahn umklammert und tat so, als wäre ich zu sehr in die Musik vertieft, um zuzuhören. Eigentlich hätte
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