Frostblüte (German Edition)
es ein fröhlicher Abend sein sollen. Alle anderen waren fröhlich. Doch das Gelächter von Luca und Hind und der Anblick von Hinds Hand, die beiläufig auf Lucas Wade lag, machte mich so wütend und traurig – und so beschämt über diese Gefühle –, dass mir schlecht war. In dem Moment, als ich angefangen hatte mit Beständigkeit zu rechnen, veränderte sich plötzlich alles.
Dumm. Nichts bleibt je, wie es war. Und man kann sich auf nichts verlassen. Luca lachte über eine Bemerkung von Hind und legte auf seine lässige Art einen Arm um sie. Auf niemanden.
»Wer singt als Nächstes?«, rief Razia, eine junge Bergwächterin, die ich kaum kannte. Sie schwankte, als sie aufsprang. »Ich weiß es! Frost! Du hast seit Wochen nicht mehr gesungen. Komm, jetzt bist du an der Reihe!« Sie kam auf mich zugeeilt, nahm meine Hände und versuchte mich hochzuziehen. Ich schüttelte wortlos den Kopf und zog meine Hände weg.
»Frost!«, rief Livia von ihrem Platz am Lagerfeuer. »Sie werden ›Abenddämmerung‹ spielen! Das ist doch dein Lieblingslied, oder?«
Ich war überrascht und freute mich, dass Livia etwas so Unbedeutendes und Albernes an mir bemerkt hatte. Trotzdem schüttelte ich erneut den Kopf.
»Ich würde es gern hören. Es ist auch eines meiner Lieblingslieder«, mischte sich Hind ein. Aber dann sah sie wohl etwas in meinem Gesicht, denn sie machte hastig einen Rückzieher. »Wenn Frost aber nicht möchte, dann natürlich nicht.«
»Sie ist bei Fremden nur ein wenig schüchtern«, sagte Luca und warf mir ein verschwörerisches Lächeln zu, als würden wir über einen Witz lachen, den nur wir kannten. Zum ersten Mal spürte ich kein Verlangen zurückzulächeln. Luca schien es nicht zu bemerken – er blickte jetzt zu Arian. »Arian und Frost sollten zusammen singen.«
Arian verschluckte sich an seinem Bier und warf Luca einen zornigen Blick zu. Arian, der seine Brummstimme zu einer verträumten Liebesballade wie ›Abenddämmerung‹ erhob? Kein Wunder blickte er so finster.
Luca kümmerte sich nicht um Arians Gesichtsausdruck, sondern wandte sich wieder zu mir. »Wenn du nicht alleine singen musst, hast du keine Scheu, oder? Außerdem hast du Arian noch nie singen gehört. Er ist ein sehr guter Sänger.«
»Früher hat er gesungen!«, rief Razia. »Er hat am Feuer der Urmutter ständig für uns gesungen, bevor Frost …« Sie sprach nicht weiter.
Es entstand ein verlegenes Schweigen. Mir war, als legte sich eine Eisschicht um mich und trennte mich von allen anderen. Ich blickte auf meine fest geballten Fäuste, weil ich sicher war, dass die anderen mich entweder mitleidig oder anklagend anstarren würden. Bevor Frost kam , hatte Razia gemeint. Hind räusperte sich, als wolle sie etwas sagen. Ich zog die Schultern hoch.
Arian seufzte. »Von mir aus.«
Er fasste nach meiner Hand. Die rauen Schwielen kratzten auf meiner Handfläche und mit einem kraftvollen Ruck zog er mich hoch. Ihm konnte ich mich nicht widersetzen wie Razia. Bevor er mich losließ, drückte er für einen Augenblick meine Finger. »Sonst werden sie keine Ruhe geben«, sagte er. »Du singst die erste Strophe, ich die zweite, und den Refrain können wir gemeinsam singen.«
Als wäre damit alles geklärt, wurde der leicht trunkene Jubel noch lauter. Luca grinste. Ich sah ein, dass jede weitere Weigerung nur noch mehr Aufmerksamkeit auf mich lenken würde, also schnaubte ich resigniert. Besser, ich brachte es hinter mich. Ich folgte Arian zum Feuer. Razia torkelte uns hinterher und ließ sich neben die neue Heilerin sinken. Livia winkte mir ermutigend zu.
Wir setzten uns. Ich klemmte nervös die Hände zwischen die Knie und vermied den Blick ins Feuer. Die Flammen knisterten und knackten, rot und gelb wie normale Flammen – doch da ich dem Feuer in diesem Land nicht mehr traute, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf die tanzenden Schattenformen, die die Flammen auf Arians Gesicht warfen. »Du hättest das nicht tun müssen«, flüsterte ich ihm zu.
Ein winziges Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. Als er sprach, war seine Stimme jedoch das übliche tonlose, barsche Knurren. »Unfug. Ist doch nur ein Lied.« Er nickte dem Musikanten zu.
Der Mann führte die Holzflöte zum Mund und begann die sanften, hohen Triller des Liebesliedes zu spielen.
Ich schluckte, räusperte mich und zwang mich zu den ersten Zeilen der Ballade.
»Die nahende Nacht taucht deine Augen
in blaues Licht und Sternenglanz.
Und in der Dunkelheit hältst du mich
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