Frostblüte (German Edition)
Rücken schmerzte. Doch ich war harte Arbeit gewohnt und mit gutem Essen und ausreichend Ruhe jeden Tag gewöhnte ich mich mit beinahe unnatürlicher Geschwindigkeit daran. Falls es etwas mit dem Wolf zu tun hatte, versuchte ich nicht weiter darüber nachzudenken.
Der Stoff meiner Uniformhemden spannte mittlerweile an den Schultern und Oberarmen. Am zweiten Morgen, an dem Luca mich bei dem Versuch, Kniehosen über Beine mit mittlerweile strammen Muskeln zu ziehen, fluchen und brummen hörte, brachte er mich zu Atiyah und ließ sie erneut Maß nehmen. Im Vergleich zu ihrem Fluchen und Brummen, als sie feststellte, dass sie meine Spezialrüstung abändern müsste, nahm sich meines harmlos aus.
»Zu langsam!«, sagte Luca, sein hölzernes Übungsschwert streifte leicht mein Schlüsselbein. Er achtete bei seinen Hieben zwar immer darauf, mich nicht zu verletzen, trotzdem stöhnte ich bei der Berührung auf.
Als ich den Kopf schüttelte, flogen die Schweißperlen. »Ich bekomme diese Bewegung einfach nicht richtig hin. Ich weiß nicht, warum. Beim Aufwärtsschwung zögere ich immer, weil ich das Gefühl habe, ich lasse die Axt los.«
»Du brauchst mehr Selbstvertrauen«, sagte Luca. Als er den Arm hob, um sich den dünnen Schweißfilm von der Stirn zu wischen, zeigte die ärmellose Tunika seine Muskeln. Sein Haar war an diesem Tag zu einem Pferdeschwanz hochgebunden, um es aus dem Nacken zu halten. Die Haut auf seinen Schultern, dem Nasenrücken und den Wangen hatte dank der Mittagssonne einen dunkleren Goldton angenommen. Der Sommer nahte und die Hitze hatte alle Zuschauer vom Übungsplatz vertrieben, selbst Livia, die sich gern in der Nähe aufhielt, als wäre ich ein Küken, das jeden Augenblick zerquetscht werden könnte.
»Das Problem ist, dass du dich zurückhältst. Du lässt die Axt schon nicht los – daran musst du einfach glauben. Fang noch einmal an, dieses Mal langsam. Folge dem Ablauf, lass deine Bewegungen fließen.«
Ich zuckte resigniert die Achseln, dann trat ich einen Schritt vor, um die Übung zu wiederholen.
Axt diagonal vor die Brust, um Lucas Schlag von oben abzuwehren. Seitwärts drehen, um einem Tritt auszuweichen. Axt nach unten, um einen Magenhieb abzuwenden. Drehen, um Schwung für einen Schlag gegen den Hals zu gewinnen. Wieder drehen, falls der Schlag abgewehrt wird, dieses Mal mit dem Kopf der Axt auf das Gesicht zielen. Lucas Übungsklinge mit der Schneide der Axt aufhalten. Gewicht verlagern und hochziehen –
Lucas Schwert wirbelte durch die Luft.
»Weiter!«, schrie er, als ich wie angewurzelt innehielt und ungläubig das heruntergefallene Schwert anstarrte. »Bring den Bewegungsablauf zu Ende.«
Ich schluckte und schwang meine Axt mit beiden Händen in einem Halbkreis, der selbst mit der Holzklinge die Wucht gehabt hätte, Luca das Genick zu brechen. Ich stoppte den Schlag, kurz bevor er Luca traf, und brachte die Axt wieder in die Ausgangsposition.
Luca grinste. Er fasste mich an der Schulter und zog mich für eine kurze Umarmung an sich. Ich drehte mich zur Seite, um ihn nicht mit der Axt zu stoßen, was damit endete, dass ich ungeschickt an seiner Brust klebte. Meine Nasenspitze streifte die weiche helle Kuhle an seinem Hals. Der Duft von Geißblatt und warmer Haut ließ mir den Atem stocken.
»So geht das«, sagte er. Seine Stimme klang dunkel.
Dann ließ er mich los. Ich ließ den Kopf der Axt sinken, starrte darauf, als wäre ich von der stoffumwickelten Schneide fasziniert und murmelte: »Ich muss schneller werden.«
»Irgendwann schon, doch wenn du es im langsamen Tempo richtig beherrschst, dann ist Schnelligkeit nur eine Frage der Übung. Du weißt, was jetzt kommt, oder?«
»Ja.« Ich spürte, wie die Hitze in meinen Wangen nachließ, als wir uns wieder sicheren, sachlichen Themen zuwandten. Als Luca sich bückte, um sein Schwert aufzuheben, brachte ich die Axt wieder in die Ausgangsstellung. »Wir fangen noch mal von vorn an.«
»Braves Mädchen«, sagte er. »Du lernst dazu.«
Zusätzlich zu dem harten körperlichen Training verbrachte ich mindestens eine Stunde pro Tag damit, auf der Lichtung hinter Lucas Zelt in diesen seltsamen tranceähnlichen Zustand hinüberzugleiten, von dem Luca glaubte, er könne mir helfen den Wolf zu kontrollieren. Diese Stunde entwickelte sich bald zu dem Teil in meinem Tagesablauf, den ich am wenigsten mochte.
»Dein Körper ist voller Licht«, sagte Luca. »Stell dir vor, wie es aus deinen Poren dringt, in der Luft um dich
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