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Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Marriott
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schwebt und die Kugel füllt. Kannst du es sehen? Wenn ja, dann nicke.«
    Ich nickte. Ich konnte tatsächlich fühlen , wie das Licht aus meinen Poren drang, silberne Glühfäden, fein wie Haare, die wie eisiges Sternenlicht um mich herum erstrahlten. Ich schauderte. Nun konnte jeden Augenblick –
    Saram. Meine Tochter.
    Ich hatte gelernt, meine Reaktionen auf die Stimme zu beherrschen. Ich verdrängte sie, indem ich mich auf das Jucken auf meinem Steißbein konzentrierte, wo der Schweiß mein frisches Uniformhemd durchnässte. Auf die kleine Haarsträhne, die sich aus meinem Zopf gelöst hatte und mich im Gesicht kitzelte. Ich lauschte auf die Geräusche im Lager, versuchte die verschiedenen Stimmen auseinanderzuhalten und ordnete denen, die ich kannte, Namen zu. So verdrängte ich das silbrig-blaue Licht und mit ihm verschwand auch die verräterische, lügende Stimme des Wolfes.
    Ich blinzelte heimlich zu Luca hinüber und sah, dass er mich fragend anstarrte. Ich hatte nicht gemerkt, dass er zu reden aufgehört hatte. Ich kniff die Augen wieder zusammen.
    »Es glaube, es ist genug für heute«, sagte er nach einer Weile. »Komm zurück.«
    Ich öffnete die Augen und fühlte mich schuldig, als ich blinzelte und gähnte und so tat, als wachte ich aus tiefer Trance auf. Luca saß schweigend da, während ich Arme und Beine streckte, dann fragte er: »Hast du heute etwas gesehen oder gehört?«
    Ich überspielte meine Überraschung mit einem weiteren Gähnen. »Irgendetwas gehört? Was denn?«
    »Ich weiß nicht. Ich hatte gehofft, dass ein innerer Teil von dir sich langsam bemerkbar machen würde. Dass du fühlen oder spüren oder dich an etwas erinnern würdest, das uns helfen könnte, deine Berserkerwut zu verstehen.«
    Lass es ihn nicht sehen. Lass ihn nicht die Lüge sehen …
    »Ich sehe bloß Licht«, sagte ich ein wenig steif und stellte mir in Gedanken glatte graue Kiesel vor, um möglichst unbeteiligt auszusehen. »Nur leuchtendes, silbrig-blaues Licht, so wie bisher. Ich höre nichts.«
    Luca stand auf und hielt mir die Hand entgegen. Da meine Haut trotz der Hitze des Tages eiskalt war, tat ich, als hätte ich die Geste nicht bemerkt, und erhob mich ohne Hilfe. Als ich aufrecht stand, hatte er seine Hand sinken lassen und musterte mich forschend.
    »Falls du dich an etwas erinnerst oder irgendetwas fühlst, egal wie merkwürdig oder erschreckend es dir auch vorkommen mag, wirst du es mir erzählen, oder? Selbst, wenn es dir albern erscheint. Es ist wichtig.«
    Ich zögerte einen Augenblick und hätte nichts lieber getan, als all meine Ängste mit ihm zu teilen. Es ist der Wolf, den ich sehe und höre. Es ist der Wolf, der sich bemerkbar macht. Ich habe Angst, dass wir alles nur noch verschlimmern.
    Doch ich brachte nicht den Mut auf. Luca war davon überzeugt, dass es der richtige Weg war, mir zu helfen. Wie sollte ich ihm beichten, dass ich in mir nur den Wolf fand? Ich wollte es nicht einmal mir selbst eingestehen. Der Wolf war ein Fluch. Ein Dämon. Ein Mörder. Alles Schlechte, was mir und meiner Mutter je widerfahren war, war das Werk des Wolfes. Er war kein Teil von mir. Durfte es nicht sein. Wäre er wirklich ein Teil von mir, wäre ich besser vor neun Jahren verbrannt.
    Ich lernte hier zu kämpfen und wurde Tag für Tag stärker und schneller. Meine Spezialrüstung, die dem Feind keine Angriffsfläche bieten würde, um mein Blut zu vergießen, war fast fertig. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, ein Zuhause zu haben, ein gutes Zuhause, das mir gehörte. Wenn der Preis für dieses Zuhause darin bestand, dass ich mich durch diese Sitzungen mit Luca schummelte, war es ein Preis, den ich zu zahlen bereit war. Und so nickte ich und wich seinem Blick aus.
    Er seufzte. »Vielleicht morgen.«

Siebzehn
    Arian stand am oberen Ende des steilen Felsabhangs und hielt den Kampfstock in der Hand. Er blinzelte mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne, seine Schultern waren angespannt und drückten Entschlossenheit aus.
    Ich sah auf meine Hände, die in einem Paar weicher, schmiegsamer Hirschlederhandschuhe steckten. Ihre Oberseite war bis zum Handgelenk mit einem länglichen Dreieck aus feinem Kettenpanzer verstärkt und dann nochmals mit Leder überzogen. Atiyah hatte mir erklärt, dass ich so einen Schlag abwehren konnte, ohne die Haut darunter zu verletzen. Die Knöchel waren mit Metallkappen verstärkt und von innen gepolstert. Um meine Unterarme waren lederne Armschienen mit eingearbeiteten Metallstreifen

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