Frostblüte (German Edition)
bewusst, dass du immer noch voller Staub bist?«
Ich berührte unsicher mein Gesicht. »Wo denn?«
»Er ist in deinen Haaren, überall auf dem Gesicht und dem Hals – hast du überhaupt gebadet?«
»Natürlich! Der Warnpfiff kam, während ich im Fluss war.« Ich fuhr mit den Fingern über den hastig und achtlos geflochtenen Zopf, den ich mir um den Kopf geschlungen hatte. Staub rieselte mir übers Gesicht und als ich auf meine Hand blickte, war sie staubgrau. Ich hatte zwar den Kopf im Fluss untergetaucht, doch der Staub musste in meinen dicken Haaren haften geblieben sein und bröselte nun heraus, als es trocknete. »Warum hat mir das keiner gesagt?«
»Vielleicht dachten sie, du alterst vorzeitig, und wollten dich nicht verletzen«, schlug Luca mit Unschuldsmiene vor.
Ich warf ihm einen bösen Blick zu.
Er lachte. »Komm zurück ins Zelt, dann helfe ich dir den Staub rauszubürsten.«
Als ich mit meiner Axt, die ich vorsichtig in den Händen hielt, schließlich zum Zelt kam, hatte Luca schon zwei Lampen angezündet und kramte in der Truhe am Fußende seines Bettes. Ich legte die Axt vorsichtig auf den Fellstapel. Als ich mich umdrehte, hatte Luca neben den niedrigen Tisch ein Handtuch auf dem Boden ausgebreitet und hielt eine silberne Bürste in der Hand. Noch nie war meinen wirren verfilzten Haaren ein so vornehmer Gegenstand nahe gekommen.
»Damit bekommen wir den Staub heraus«, versprach er. »Setz dich hier auf das Tuch, dann verteilt er sich nicht auf die Teppiche.«
Ich lächelte, als ich mich im Schneidersitz auf den Rand des Handtuchs setzte.
»Was?«
»Nichts. Es ist nur … manchmal hast du so etwas … Mütterliches.«
Es entstand eine lange Pause. Ich warf ihm über die Schulter einen Blick zu. Er stand mit offenem Mund neben dem Bett. »Etwas Mütterliches ?«, wiederholte er.
Ich konnte seiner Stimme nicht anhören, ob er wütend oder schlicht geschockt war. Ich zuckte die Achseln und freute mich ein bisschen, dass zur Abwechslung einmal ich ihn aus der Fassung gebracht hatte. »Manchmal. Gibst du mir jetzt die Bürste?«
»Nein«, fuhr er mich fast an und kniete sich hinter mich. »Du kannst nicht sehen, wo der Staub ist.«
Ein kleines Lachen entwischte meinen Lippen. Ich schlug die Hand vor den Mund. Nach einer Weile hörte ich ihn ebenfalls widerwillig lachen.
»Noch ein paar Witze dieser Art, dann schicke ich dich zum Fluss – und der ist kalt um diese Nachtzeit, glaub mir. Hier, halt das.« Er drückte mir über die Schulter die Bürste in die Hand und dann spürte ich mehrfach Ziepen an meinen Haaren. Der Zopf löste sich von meinem Kopf und ließ Staub über meinen Rücken rieseln.
»Woher weißt du, wie man das macht?«, fragte ich ihn.
»Was glaubst du wohl? Meine Haare sind länger als deine. Ich stecke sie ständig unter meinem Helm fest. Gib mir jetzt die Bürste und dann bitte keine lustigen Kommentare mehr.«
Er löste das Band von meinem Zopfende. Als ich fühlte, wie er vorsichtig die langen verfilzten Haarsträhnen mit seinen Fingern entwirrte, verging mir von einer Minute auf die andere die Lust, ihn aufzuziehen. Ich stieß einen langen, tiefen Seufzer aus. Beschämt presste ich die Lippen aufeinander, doch ich konnte nichts gegen die Gänsehaut tun, die mich überlief.
»Lehn dich zurück«, murmelte er und bog meinen Kopf nach hinten. Seine Fingerspitzen streiften meine Ohrmuschel. Ich biss mir auf die Lippe.
Die Bürste gab ein weiches, beruhigendes Geräusch von sich, als er damit durch die dicken, zerzausten Schichten fuhr und das Haar vorsichtig teilte, um den ganzen Staub herauszubekommen. Ich merkte, wie ich mich immer weiter gegen ihn zurücklehnte – ich konnte nicht anders –, und streckte eine Hand aus, um mich abzustützen. Sie landete auf dem Bein, das er neben mir ausgestreckt hatte.
Die feste, warme Muskelwölbung über dem Knie spannte sich unter meinen Fingern an. Die Bürste verharrte mitten in der Bewegung. Ich erstarrte.
Er räusperte sich. »Sag mir Bescheid, wenn dein Hals steif wird.« Die Bürste bewegte sich wieder weiter. Seine andere Hand hielt meine schweren Haare im Nacken hoch. Widerwilliges Behagen kroch meine Wirbelsäule hinunter, leuchtete hell, wie die orangefarbenen Funken, die aus einem Lagerfeuer in den Wind aufsteigen.
»Ich glaube, das war’s«, sagte er. Die Hand in meinem Nacken schob mich nach vorn. Als ich merkte, dass meine Hand noch immer auf seinem Schenkel lag, zog ich sie schnell zurück und versteckte
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