Frostblüte (German Edition)
fest,
bist Zuflucht mir vor dem aufziehenden Sturm.«
Ein anderer Musikant stimmte mit einer Laute ein, als der Refrain begann, und eine wunderschöne tiefe Stimme sang in vollkommener Harmonie mit meiner die Worte. Es war eine Stimme, die ich schon einmal gehört hatte. Diese Stimme hatte mich zögern lassen, als ich in jener ersten Nacht aus dem Lager der Bergwächter geflohen war. Sie hatte mich begrüßt, als ich zurückkehrte. Arians Stimme?
Ich sah ihn an, als unsere Stimmen gemeinsam die einfachen schönen Worte sangen.
»Liebster, mögen Stürme mich verfolgen,
Schneeflocken fallen,
ich ruhe in deinem Herzen.
Mag Donner grollen,
mögen Fluten steigen,
ich ruhe in deinem Herzen.«
Ich verstummte und Arian übernahm die zweite Strophe, begleitet von der Laute und der Holzflöte.
»Die nahende Nacht verhüllt dein helles Haar
und deines Lächelns warmen Glanz.
Doch trotz der Dunkelheit spür ich dein Herz
und weiß, es schlägt für mich allein.«
Als Arian mir zunickte, holte ich Luft – mir war nicht einmal bewusst gewesen, dass ich sie angehalten hatte, während er sang – und stimmte in den Refrain ein. »Liebster, mögen Stürme mich verfolgen …« Als wir zum Ende kamen, hob die Flöte zu den letzten hellen Tönen an, danach verstummte auch die Laute.
»Ihr solltet öfter zusammen singen«, sagte einer der Musiker mit gedämpfter Stimme. »Ihr passt zueinander.«
Arian beugte sich zu mir vor. »Frost …«
Luca tauchte lächelnd neben uns auf. »Ihr wart wundervoll. Kommt. Ruhe, alle miteinander! Ich habe etwas zu verkünden!«
Er half mir auf und zog mich vom Feuer weg. Ich warf einen Blick zurück. Arian war auf seinem Schemel sitzen geblieben und starrte in die Flammen.
Die Bergwächter rings um uns verstummten. Zwischenzeitlich waren Fackeln am Rand der Lichtung angezündet worden und die Gesichter um mich flackerten geheimnisvoll im Feuerschein.
»Vor einigen Wochen«, fuhr Luca fort und erhob die Stimme, damit jeder ihn hören konnte, »als Frost hierherkam, legte sie ihre Axt beiseite und tauschte sie gegen Übungswaffen ein. Ich habe ihr gesagt, dass sie die Axt erst wieder benutzen darf, wenn ich sicher sein kann, dass sie weder sich selbst noch jemand anderem Schaden zufügt.«
Es war Gelächter zu hören, doch Luca kümmerte sich nicht darum. Er blickte nun zu mir, seine dunklen Augen waren voller Stolz und Wärme, als er weitersprach: »Die Axt gehörte ihrem Vater und davor dessen Vater und es ist eine edle Waffe. Ich weiß, dass es für Frost ein großer Vertrauensbeweis war, die Axt beiseitezulegen. Doch sie hat es getan. Und heute steht eine Kämpferin vor uns, die mit jeder Waffe umgehen kann. Ich stelle euch nun also Frost vor, die keine Lernende mehr ist, sondern unsere neueste Bergwächterin.«
Die anderen johlten und klatschten und stampften mit den Füßen.
Luca ließ mich los, um nach einem Bündel aus Sackleinen zu greifen, das hinter ihm lag. Er hielt es mir entgegen, den groben Stoff ließ er zu Boden fallen. »Wir haben sie ein bisschen verschönert. Ihre Klinge geschärft und die rostigen Schaftfedern ersetzt. Sie poliert. Ich hoffe, du hast nichts dagegen?«
Ich schüttelte wortlos den Kopf. Meine Hände griffen instinktiv zu, die Finger umschlossen langsam und ehrfürchtig das glatte Holz des Schafts. Das frisch polierte Holz fühlte sich so natürlich und vertraut an wie ein Arm von mir oder ein Bein. Licht tanzte über die Doppelklinge, schillernd wie eine Eisschicht auf dem Wasser. Die Waffe bewegte sich leicht in meinen Händen, sie kam mir nicht mehr schwer vor. Ich schwang sie elegant hin und her, dann hielt ich sie in der Ausgangsposition diagonal vor meinen Körper. Ich jubelte innerlich – endlich war alles am richtigen Platz. Man hatte mir einen Teil von mir genommen. Nun hatte ich ihn zurück und es fühlte sich wunderbar an.
»Küss sie nicht«, neckte mich Hind. Ihr Arm lag um Adela. »Sonst wird Luca eifersüchtig.«
Ich sah die andere Frau stirnrunzelnd an und war kurz davor, eine ernsthafte Abneigung gegen sie zu entwickeln. Doch Luca lenkte mich ab, indem er rief: »Ich glaube, darauf muss angestoßen werden!«
Mit lautstarker Zustimmung eilten einige Bergwächter davon, um das letzte Bier auszuschenken. Im Schutz des neuen Lärms trat Luca näher.
»Frost …« Er räusperte sich und schien plötzlich unsicher. Doch dann hellte sich sein Gesicht auf, als habe er gerade die Antwort auf ein Rätsel gefunden. »Ist dir eigentlich
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