Frostblüte (German Edition)
meine kribbelnden Finger in meinem Schoß.
Luca legte mir die Haare über die linke Schulter und strich mir über den Rücken, vermutlich, damit der Staub auf das Tuch fiel. Dann rutschte er rechts neben mich. »Dreh deinen Kopf zu mir.«
Ich gehorchte zögernd. Luca wich meinem Blick aus, wofür ich ihm bemitleidenswerterweise dankbar war. Mit einem kleinen, gefalteten Tuch rieb er vorsichtig den Staub von meiner Stirn und der Schläfe. Mit der anderen Hand hielt er mein Gesicht, während er das Tuch unter meinen Kiefer und über den Hals gleiten ließ.
»So«, sagte er. »Das war der letzte Rest.«
Er legte das Tuch zur Seite. Ich hielt den Atem an und sehnte und fürchtete mich vor dem Moment, an dem seine Hand mein Gesicht loslassen würde.
Er kam nicht. Seine Augen starrten plötzlich in meine.
»Dein Herz schlägt so schnell«, sagte er leise, die Worte waren kaum mehr als ein Flüstern. »Ich kann dein Blut unter meiner Hand pochen fühlen. Hast du Angst vor mir?«
Ich schluckte und instinktiv flüsterte ich ebenfalls, als ich antwortete. »Nein.«
Als Luca näher rückte, füllte die Lampe über unseren Köpfen seine Augen mit tausend winzigen Sonnen. Seine Hand umfasste meinen Nacken, die Finger schoben sich vorsichtig in meine Haare. Die Stille hatte einen Rhythmus, als wir einander anstarrten, suchten, warteten …
Wir bewegten uns gleichzeitig.
Neunzehn
Sein freier Arm schlang sich um meinen Rücken und fasste mich an der Hüfte. Er zog mich an sich und unsere Lippen öffneten sich. Ich konnte den Most schmecken, den er getrunken hatte – Honig und Äpfel –, und dieselbe wilde, berauschende Süße des Geißblatts, die ihn auch stets umgab. Ich fühlte mich weich und schwerelos, biegsam, als bestünde ich nicht aus Fleisch, sondern aus einer warmen, goldenen Substanz, die sich in seine Berührung hineinschmiegte. Zögernd hob ich eine Hand, um der Linie seines Kiefers zu folgen, durch das weiche seidige Haar zu fahren, über die starken Sehnen seines warmen Halses, die verletzliche knochige Stelle an seinem Schlüsselbein. Seine Bartstoppeln kratzten auf meiner Haut, sein Atem strich über meine Wange.
Als ich fühlte, wie er sich bewegte und nach hinten rutschte, klammerte ich mich instinktiv an ihn, die Finger, die über seine Schultern gewandert waren, krallten sich in sein Hemd, um ihn festzuhalten.
Nein, nein, noch nicht. Nicht wie letztes Mal.
Er löste sein Gesicht von meinem. Sein Atem ging schnell und war ein wenig rau. Ich schloss die Augen und wartete darauf, wieder weggeschoben zu werden.
»Das wollte ich schon so lange tun.«
Meine Augen öffneten sich. »A-aber damals – hast d-du gesagt, es wäre ein schrecklicher Fehler.«
Sobald ich es ausgesprochen hatte, wurde mir bewusst, dass ich mich immer noch an ihn klammerte. Ich nahm hastig die Hände von seinen Schultern und versuchte etwas Abstand zwischen die warme Einheit unserer Körper zu legen. Seine Arme drückten kräftiger, dann lockerten sie sich ein wenig, doch nur so weit, dass ich mich hinknien konnte. Seine Handflächen lagen noch immer auf meinem Rücken.
»Ich habe nie gesagt, dass es ein schrecklicher Fehler war«, widersprach er. »Ich sagte, es war ein Fehler. Das war es auch. Du warst gerade erst ins Lager gekommen und hattest deine Ausbildung begonnen und du warst verletzlich und durcheinander. Es stand mir überhaupt nicht zu, dich zu küssen.«
Der Schmerz über diese unverblümten Worte durchbohrte mich, darauf folgte die reine Erleichterung der Wut. »Warum tust du es dann schon wieder?«, wollte ich wissen. »Ich bin kein S-Spielzeug, das du nehmen und weglegen kannst, wie es dir gerade in den Kram passt! Wenn du mit H-Hind zusammen bist, warum – warum küsst du mich dann überhaupt?«
Unglaublich, er lachte und strahlte plötzlich. Er zog mich wieder an sich und vergrub sein Gesicht in meinem Haar. »Du bist eifersüchtig, hab ich Recht? Danke, Urmutter! Ich dachte, es wäre dir egal.«
»Was redest du da?«
»Ich bin in dich verliebt.«
Ich erstarrte. Dann legte ich beide Hände auf seine harte, flache Brust und stieß ihn weg. »Bist du nicht!«
»O doch.«
»Nein, bist du nicht !«
»Doch, bin ich – Frost, beim Heiligen Feuer!« Er lachte wieder. »Das können wir die ganze Nacht durchziehen. Hör mir doch einfach mal zu.«
Ich versuchte mich loszumachen und schüttelte heftig den Kopf. »Du willst mich nicht. Ich … habe bestimmt nur Halluzinationen oder –«
Luca hielt mich an
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