Frostblüte (German Edition)
erinnern, ihn überhaupt je lachen gehört zu haben.
»Was? Was hab ich denn gesagt?«, wollte ich wissen.
»Nicht wichtig«, sagte er seufzend. »Ich schätze deine Ratschläge. Aber wir können hier nicht bleiben. Wir müssen zu den anderen zurück.«
»Wir wissen nicht, wo sie sind.«
»Wir gehen zum alten Lagerplatz zurück. Ich wette mit dir, dass Luca und die anderen mittlerweile wieder dort sind.«
Ich wollte es nicht aussprechen, doch die Worte ließen sich nicht aufhalten. »Falls Luca noch am Leben ist. Falls noch einer von ihnen lebt.«
Es entstand ein bedrücktes Schweigen, dann sagte Arian: »Natürlich ist Luca am Leben. Wir hatten die Oberhand, so weit kann ich mich noch erinnern.«
»Sie waren in der Überzahl. Zwei zu eins, mindestens. Und es waren noch mehr Aufrührer im Anmarsch. Wir hatten begonnen uns zurückzuziehen. Alles Mögliche konnte von da an passieren. Wir waren nicht dabei. Ich war nicht dabei –« Es gelang mir, die nächsten Worte zurückzuhalten. Nach Luft schnappend hielt ich inne.
»Du hast den Befehl deines Hauptmanns befolgt«, sagte er ruhig. »Mehr kann eine Soldatin nicht tun. Er hat dich losgeschickt, um mich zu retten, was du getan hast. Du solltest stolz auf dich sein und dir keine Vorhaltungen für Dinge machen, auf die du keinen Einfluss hast.«
Ich presste die Lippen fest aufeinander. Schließlich sagte ich: »Es sind bestimmt viele tot, oder?«
Arian zögerte. »Tod gehört zum Soldatenleben. Man braucht sich nicht zu schämen, wenn man überlebt.«
Ich rutschte neben ihn und lehnte mich gegen die Höhlenwand. »Aber du hast gesagt, dass du sicher bist, dass Luca noch am Leben ist.«
»Ist er«, sagte Arian überzeugt. »Ich wüsste es, wenn ihm etwas zugestoßen wäre. Ich habe es immer gespürt, wenn er in der Klemme saß. Es geht ihm gut. Ehrenwort.«
Mein Blick wanderte wieder zu den trägen grauen Wellen auf dem Wasser. »War das der Grund, warum du ihn aus den Flammen retten konntest?«
Ich war sicher, dass ich mir die Kälte in Arians Stimme nicht einbildete, als er fragte: »Hat Luca dir davon erzählt?«
»Ja. Wenn du nicht willst, brauchst du nicht mit mir darüber zu sprechen. Es ist nur … Ich hoffe, wir sind jetzt Freunde, oder nicht?«
»Ich muss zugeben, dass Luca dich richtig eingeschätzt hat. Du bist ein wertvolles Mitglied der Berggarde.« Seine Stimme klang tonlos.
»Das meinte ich nicht und das weißt du auch.«
»Du brauchst nicht aus Höflichkeit so zu tun, als würdest du mich mögen. Du kannst mit Luca befreundet sein und mich trotzdem wie die Pest hassen. Alle anderen im Lager können das auch.«
»Ich hasse dich nicht!« Ich wandte mich um und versuchte sein Gesicht zu erkennen. »Du bist unhöflich, gemein, stur und übellaunig wie ein Maultier, aber ich mag dich trotzdem. Der Rest der Berggarde würde das auch tun, wenn du es zuließest. Die Art, wie du Leute behandelst – es hat den Anschein, als würdest du es absichtlich tun, als würdest du dir beinahe wünschen, dass keiner dich leiden kann …«
Arian drehte den Kopf weg. Mir klappte die Kinnlade herunter.
»Es stimmt, oder? Du machst das absichtlich. Warum? Warum willst du verachtet werden?«
Er lachte wieder, doch dieses Mal klang es bitter.
»Sie würden es sowieso tun. Es ist einfacher, wenn sie mich verabscheuen, weil ich das so entschieden habe.«
Während ich in den Schatten starrte, der Arian umgab, sah ich in Gedanken die schrecklichen Narben auf seinem Rücken.
Wer hatte ihn so sehr gehasst? Wer hatte ihm eingeredet, dass er, egal, was er tat, immer gehasst werden würde?
»Was hast du gerade zu mir gesagt, Arian? Dass ich mich nicht für Dinge schuldig fühlen soll, auf die ich keinen Einfluss habe? Dass man sich nicht zu schämen braucht, wenn man überlebt?«
Sein Atem war in der Dunkelheit deutlich zu hören. »Komm mir nicht mit meinen eigenen Worten. Du kennst mich nicht.«
»Tja, das ist ja nicht meine Schuld. Du hast mir – oder sonst jemandem von der Berggarde – nie irgendwas über dich erzählt«, gab ich zurück. »Komm schon. Was ist dein großes Geheimnis? Was ist so wichtig, dass du denkst, es gäbe dir das Recht, dich die ganze Zeit wie ein waidwundes Wildschwein aufzuführen?«
»Ich hätte niemals geboren werden dürfen«, sagte er und spuckte die Worte wie Felsbrocken aus. »Das hab ich dir schon gesagt. Ich habe meine eigene Mutter umgebracht. Und jeden Tag, wenn mein Großvater in meine Augen blickte – diese sedrischen
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