Frostblüte (German Edition)
geschlossen und seine Lippen hatten eine graue, lehmähnliche Farbe.
Bitte, Vater. Lass ihn am Leben sein.
Ich streckte den Hals und sah hinter mich, das Wasser plätscherte mir sanft gegen das Gesicht. Wir trieben auf eine kleine Bucht mit einem schmalen Ufer aus gelbem Sand zu, dahinter – fast unsichtbar unter den herunterhängenden Pflanzen – lag eine Höhle. Wenn wir es dorthin schafften, waren wir in Sicherheit.
Ich paddelte langsam auf die Sandbank zu, für alles andere waren meine Beine mittlerweile zu erschöpft. Langsam kam das trockene Land näher. Als mein Fuß das Flussbett berührte, blieb er in tiefem, schmatzendem Schlamm stecken. Ich kämpfte mich weiter, Arian noch immer im Schlepptau. Endlich erreichte ich den schmalen Sandstreifen und zerrte ihn unter den grünen Vorsprung. An Land waren meine nassen Kleider und die Axt schwer genug, um mich in die Knie zu zwingen. Vor Anstrengung ächzend, mit rasenden Rückenschmerzen und schwarzen Punkten vor den Augen, brachte ich Arian in Sicherheit.
Ich ließ mich neben ihn fallen, zu schwach, um mich auch nur aufrecht hinzusetzen. Dann zog ich meinen rechten Handschuh aus und tastete nach seinem Hals. Seine Haut war nass und kalt, wie die Schuppen eines Fischs, der gerade an Land gesprungen war. Ich fand die Stelle, wo sein Puls pochen sollte.
Ich fühlte nichts.
Ich schloss die Augen und versuchte meine Hand ruhig zu halten. Er war dort. Er musste dort sein.
»Bitte, Vater«, flüsterte ich.
Eine winzige flatternde Bewegung unter der Kuppe meines Zeigefingers.
Ich presste mein Gesicht auf Arians Brust. Sein Kettenpanzer drückte sich in meine Stirn, doch ich spürte es kaum. Die tropfnassen Kleider, die schwere Lederrüstung, das Gewicht der Axt, die mir in den Rücken drückte – nichts davon konnte mich dazu bringen, mich zu rühren. Es mochten Minuten verstrichen sein, vielleicht eine Stunde. Ich wollte es nicht wissen. Ich hatte es geschafft. Ich hatte ihn lebend herausgeholt.
Etwas Warmes rann über die kalte Haut in meinem Gesicht. Ich hob den Kopf, blinzelte und sah einen dunklen Fleck auf den Kettenpanzer unter meiner Wange tropfen. Blut. Der Ast hatte mich verletzt. Zum Glück war es nicht der Hieb eines Feindes gewesen, der meine Haut aufgeritzt hatte – ich musste so schon genug bewältigen, auch ohne dass der Wolf wieder hervorbrach.
Ich rückte von Arian ab und setzte mich ächzend auf. Wir waren beide klatschnass und durchgefroren, doch die Luft war mild. Wenn es mir gelänge, uns die nassen Kleider abzustreifen, würde uns warm werden. Ich zog meinen anderen Handschuh aus, meine Armschienen, den Axtgurt, das Lederwams und den Halsschutz. Mein Leinenunterhemd war ebenfalls durchnässt. Nachdem ich es ausgezogen hatte, trug ich nur noch die Brustbinde. Die Stiefel und Kniehosen waren klamm und ungemütlich, doch wenn ich sie auch auszog, wurden sie beim Trocknen möglicherweise enger, und dann hätte ich überhaupt nichts mehr zum Anziehen. Ich musste es irgendwie aushalten. Ich nahm mir einen Augenblick, um die Klingen von Dads Axt zu untersuchen, und freute mich, dass sie bei der wilden Reise den Fluss hinab keinen Schaden genommen hatte. Danach breitete ich die nassen Kleidungsstücke auf dem Boden der Höhle aus und machte mich an die langwierige und mühsame Aufgabe, Arian aus seiner Rüstung und von den ganzen Kettenpanzern zu befreien.
Im schwachen grünen Licht des Vorsprungs und mit Händen, die nicht aufhörten zu zittern, schien es eine Ewigkeit zu dauern, die Rüstung abzustreifen. Ich hob Arian, so vorsichtig ich konnte, an – er war so schwer, dass ich vor Anstrengung keuchte – und legte seinen Kopf und Hals auf meinen Schenkel, so dass ich auch sein nasses Unterhemd aufschnüren und ausziehen konnte. Dann bettete ich ihn wieder in den Sand.
Ich rieb die Hände aneinander, bis sie trocken und warm waren, anschließend massierte ich Arians Arme, Hände und seinen Oberkörper und wischte die Wassertropfen weg. Meine braunen zerkratzten Hände wirkten blass und zerbrechlich auf seinem breiten Brustkorb. Seine Haut war trotz der harten Muskelstränge darunter weich wie die eines Kindes. Die feine Behaarung auf seinem Körper kitzelte an meinen Handflächen, als sie trocknete.
»Arian«, flüsterte ich. »Arian. Wenn du mich hören kannst, öffne die Augen.«
Weder ein Seufzen noch das Zucken eines Augenlids. Ich fühlte wieder nach dem Puls. Er war noch zu spüren, doch ich wusste genug über Heilkunst, um mir
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