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Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Marriott
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Augen –, sah er den Mann, der seine Tochter getötet hatte, in seinem Haus leben und sein Essen essen. Atmen, während sie nie wieder atmen würde. Er bestrafte mich für die Sünden dieses Soldaten. Und als er zu alt und schwach wurde, um mich selbst zu bestrafen, überließ er es den Dorfbewohnern. Ich war jedermanns Prügelknabe. Ich kann von Glück sagen, dass ich überhaupt neun wurde, und ich bezweifle, dass ich zehn noch geschafft hätte. Weißt du, wie Lord Petru mich gefunden hat? Hat Luca dir das erzählt?«
    »Nein.« Meine Hände hatten sich zu Fäusten geballt, doch ich sprach mit ruhiger Stimme. Der geringste Anflug von Mitleid würde seinen Mund mit Sicherheit wie eine Bärenfalle zuschnappen lassen.
    »Er besuchte das Dorf, in dem ich lebte. Luca begleitete ihn. Lord Petru sprach dort mit den Ältesten, mein Großvater war auch dabei. Luca sonderte sich von dem Treffen ab, wanderte herum und fand mich am Fluss. Eine Gruppe Jungen tunkte mich gerade unter. Sie drückten mich so lange unter Wasser, bis ich das Bewusstsein verlor, dann rissen sie mich hoch, bis ich wieder zu mir kam, und tunkten mich erneut. Als Luca versuchte sie zum Aufhören zu bringen, wandten sie sich gegen ihn und schlugen auch ihn. Ihnen war nicht bewusst, wen sie vor sich hatten. Der Tumult entging niemandem, auch Lord Petru und meinem Großvater nicht. Als Lord Petru die Narben und blauen Flecken sah und wie knochig meine Rippen herausstanden, hatte er Mitleid mit mir und nahm mich zu sich. Er wollte mich zu einem Mitglied seiner Familie machen. Stattdessen war ich das Ende ihrer Familie. Ich habe alles kaputt gemacht, habe Ion dem Wahnsinnigen König in die Arme getrieben und die Ereignisse ausgelöst, die Anlass für das Feuer waren –«
    »Hör auf!«, unterbrach ich ihn. »Es war nicht so, wie du es klingen lässt. Luca hat mir erzählt, was wirklich passiert ist. Du warst ein Kind und Ion war wahnsinnig. Es war nicht deine Schuld.«
    »Das hat er dir nicht erzählt«, sagte Arian tonlos. »Er hat dir nicht erzählt, dass es Ions Schuld war. Luca hat ihm für das, was geschehen ist, nie einen Vorwurf gemacht. Er macht sich selbst Vorwürfe. Und auch das ist meine Schuld. Sie waren glücklich, bevor ich dazukam, und danach waren sie tot. Ohne mich wäre das alles nicht passiert. Also verzeih mir, wenn ich keine neuen Freundschaften schließen möchte. Ich habe schon genug Menschen auf dem Gewissen.«
    Seine Logik war vertraut. Schrecklich vertraut. Jedes Wort des Selbsthasses aus seinem Mund hatte auch ich schon benutzt, um mich in Gedanken zu bestrafen. Und trotzdem, als ich es aus seinem Munde hörte, schien es falsch. Warum sollte er die Schuld für Ions Taten auf sich nehmen? Warum sollte er dem Kind, das er gewesen war, die Schuld für Dinge zuweisen, die ein Kind nicht beeinflussen konnte?
    »Du bist nicht der Einzige, Arian«, sagte ich langsam. »Nicht der Einzige, der unerwünscht war. Nicht der Einzige, der mit einem solchen Fluch leben musste. Als ich acht war, wollte mein Dorf mich verbrennen.«
    »Sie wollten – was?«
    »Du hast schon richtig verstanden. Dorfjungen griffen mich an und ich habe mich gewehrt. Als mich die Männer von ihren Söhnen wegzerrten, schlugen sie mich mit Stöcken halb tot, danach warfen sie mich in eine Scheune, deren Tor sie verriegelten. Sie glaubten, ich wäre von einem Dämon besessen. Ich war drei Tage mit gebrochenen Rippen und ohne Essen oder Wasser dort eingesperrt und hörte sie darüber beraten, ob sie das Gebäude in Brand setzen sollten, hörte meine Mutter, die um Gnade flehte. Ich leckte den feuchten Schimmel von den Wänden, um nicht zu verdursten. Als ich schließlich entkam, wünschte ich mir, ich wäre tatsächlich gestorben.«
    »Dämon?« Die Bitterkeit in seiner Stimme war verschwunden. »Das ist Barbarei. Keiner mit einem Funken Verstand glaubt an Dämonen. Du warst doch bloß ein kleines Mädchen. Sie hätten ihre Söhne schlagen sollen, nicht dich.«
    »Ihre Söhne haben aber keinen Anfall bekommen und angefangen, wie Wölfe zu knurren und zu heulen, nicht wahr?«, sagte ich müde. »Du hast mich gesehen, wenn die blinde Wut über mich kommt. Es ist nicht normal. Es ist ein Fluch. Die Dorfbewohner wollten mich verbrennen, weil sie Todesangst vor mir hatten. Und sie hatten Recht, sich zu fürchten. Meine Mutter und ich rannten davon und fanden einen anderen Ort zum Leben, doch dasselbe passierte noch einmal. Einer der Dorfjungen versuchte mich zu –« Ich

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