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Frostengel

Frostengel

Titel: Frostengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamina Berger
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dass sie mich gar nicht bemerkte.
    Ich zog Jacke und Stiefel aus. Meine Mutter trat aus dem Wohnzimmer, sie hatte hektische rote Flecken auf ihren Wangen, wie immer, wenn sie aufgebracht war.
    »Weißt du, wo die junge Dame war?«, fragte sie mich.
    Daher wehte also der Wind. Offenbar hatte Corinna meine Mutter angelogen. Nicht dass es das erste Mal gewesen war, nur stellte sie es eigentlich meist recht geschickt an.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich dachte, bei einer Freundin.« Ich würde meiner Schwester nicht in den Rücken fallen und sie verpfeifen, dass sie vermutlich bei diesem Tim gewesen war. Ich wusste genau, dass sie umgekehrt auch dichtgehalten hätte.
    »Sie hat auf jeden Fall die ganze nächste Woche Hausarrest. Nur Schule und retour. Keine Extras.«
    Puh! Das war tatsächlich hart. »Was hat sie denn angestellt?«
    »Sie hat mit irgendwelchen Leuten die ganze Nacht in einem Abbruchhaus Party gefeiert. Wahrscheinlich hätte ich gar nichts davon mitbekommen, wenn nicht Lenas Mutter angerufen und gefragt hätte, wann Lena denn wieder nach Hause kommt.«
    Ich dachte an Melissa und Tanja. Auch sie hatten sich auf diese Weise ihre Freiheiten genommen. »Ich würde das jetzt nicht so dramatisch sehen. Sie ist bestimmt nicht die einzige Jugendliche, die ihre Eltern anlügt, um zu bekommen, was sie will.«
    Meine Mutter zog die Brauen hoch. »Wie meinst du das? Hast du mich etwa auch schon mal so angelogen?«
    Ich brauchte nicht lange zu überlegen, trotzdem ließ ich mir mit der Antwort Zeit, um meine Mutter ein wenig zappeln zu lassen. Schließlich sagte ich: »Nein, ich war tatsächlich immer dort, wo ich gesagt hab, dass ich bin.«
    »Theresa, kannst du denn nicht mit ihr reden? Wenn ich ihr sage, dass ich mir Sorgen mache und nur ihr Bestes will, hört sie mir doch gar nicht zu.« Ich seufzte. Leon würde wohl noch warten müssen, meine Mutter war offensichtlich gerade dabei, eine Grundsatzdiskussion zu starten – die ich mit Corinna führen sollte. »Also gut, aber erwarte bloß keine Wunder. Auf mich hört sie nämlich auch nur selten.«
    Vor Corinnas Zimmertür hörte ich schon meine Schwester schluchzen. Ich klopfte.
    »Lass mich in Ruhe!«
    »Corinna, ich bin’s.« Ich öffnete die Tür. Meine Schwester lag auf dem Bett, ein Kissen vor die Brust gedrückt, und sah erbärmlich aus. Die Wimperntusche hatte sich in ihren Tränen aufgelöst und lief in grauen Schlieren die Wangen hinab. Ihr Haar hing wirr ins Gesicht. Sie schniefte, als sie mich sah, und noch ein paar Tränen versickerten in dem Kissen.
    Ich schloss die Tür, setzte mich zu ihr und legte ihr einen Arm um die schmalen Schultern. Sie lehnte sich an mich. »Mama ist echt blöd«, sagte sie.
    »Na ja. Von dir war es auch keine geistige Glanzleistung, sie anzulügen.«
    »Sie hätte mir doch sonst nie erlaubt, zu dieser Party zu gehen.« Schon hörte ich den üblichen Trotz in ihrer Stimme.
    »Mag sein. Dann hättest du zwar eine Party versäumt, aber dafür müsstest du nicht eine ganze Woche auf vieles verzichten. War es das denn wert?«
    Sie lächelte. »Jaaaaaah.«
    »Du hast doch nicht mit Tim …?«
    »Er heißt Timo. Nein, ich habe nicht mit ihm geschlafen. Aber es war auch so schön. Wir wollten es nicht in so einem abgefuckten Haus tun, wo hundert Menschen herumlaufen. So habe ich mir mein erstes Mal nicht vorgestellt und er auch nicht.«
    Gott sei Dank, dachte ich, während ich Corinna eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. »Weißt du, was alles hätte passieren können? Warum legst du es denn immer drauf an, dich in Gefahr zu bringen?«
    »Warst du schon da? Es ist kein bisschen gefährlich dort. Wir wollten nur abhängen, ein bisschen feiern.«
    »In einem Abbruchhaus, klar. Keine Heizung, ein leckes Dach, kaputte Fenster – sehr gemütlich. Ja, ich kenne es. Von außen. Mich würden keine zehn Pferde da reinkriegen. Braucht nur jemand laut husten und es stürzt ein. Es soll nicht umsonst abgerissen werden, Corinna.«
    Corinna schaute mich von der Seite an. »Laute Musik hat es jedenfalls nicht zum Einstürzen gebracht.«
    »Da bin ich echt froh, kleine Schwester. Ich würde es nicht aushalten, wenn dir auch noch was passiert.«
    Sie umarmte mich ganz fest. »Tut mir leid, aber mach dir keine Sorgen. Es war da echt sicher.«
    »Das glaube ich zwar nicht, aber bitte pass auf dich auf, ja? Du bist nach Julia die wichtigste Person in meinem Leben. Und Julia ist tot. Also bist du sogar die allerwichtigste.« Ich versuchte zu

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