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Frostengel

Frostengel

Titel: Frostengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamina Berger
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Kerl. Der war schuld, dass sie alle unsere Pläne über den Haufen geworfen hat.«
    »Und du hast nie erfahren, wer er war?«
    »Nein, das war ja das Komische. Ich meine, sie hatte vor ihren Eltern Geheimnisse, klar, aber doch nicht vor mir! Dachte ich zumindest. Wir hatten danach lange Zeit keinen Kontakt mehr. Ich war sauer auf sie und dachte mir, soll sie doch in dem Kaff versauern. Aber als sie mich kurz vor ihrem Tod anrief und mich um Rat fragte, klang sie so verzweifelt, dass mein Ärger verflog. Ich konnte unsere Freundschaft nicht einfach wegwischen, nicht so wie sie es getan hatte. Ich habe ihr gesagt, sie müsse mit dem Vater des Kindes und auch mit ihren Eltern sprechen. So streng sie auch waren, sie hätten sie bestimmt nicht auf die Straße gesetzt. Und ihr dubioser Freund sollte endlich Farbe bekennen und zu ihr stehen. Zumindest finanziell hätte er sie unterstützen müssen, wenn er schon nicht bereit war, sich von seiner Frau zu trennen.«
    »Und nicht einmal da hat sie dir verraten, wer der Vater des Kindes war?«
    Tanja schüttelte den Kopf. »Nein, aber das habe ich deiner Freundin auch schon gesagt. Mir ist aber noch etwas eingefallen, nachdem ich mit Julia telefoniert hatte. Es schien mir nicht wichtig genug, sie deswegen noch einmal anzurufen.«
    Meine Kehle wurde trocken. Endlich würde ich etwas erfahren, was Julia nicht gewusst hatte! Vielleicht war es das fehlende Puzzlestück, das ihr gefehlt hatte, um ihren Vater zu entlasten. Oder endgültig zu belasten. Meine Hand griff nach der Cappuccinotasse, doch der Kaffee war inzwischen kalt.
    »Während unseres Gespräches ist Melissa einmal sein Vorname herausgerutscht. Thomas. Gleich darauf, als sie es gemerkt hatte, meinte sie, das sei ohnehin nicht sein richtiger Name, sondern sein zweiter Vorname. Niemand würde ihn so nennen, nur sie.«
    »Du hast nie herausgefunden, wer dieser geheimnisvolle Thomas war?«
    »Nein, denn ein paar Tage später brachte sie sich um.« Tanjas Stimme klang belegt und in ihren Augen schimmerte es. »Verdammt! Ich mache mir solche Vorwürfe. Ich hätte ihr anbieten müssen, zu mir zu ziehen. Irgendwie hätten wir das schon geschafft.«
    Ich legte meine Hand auf Tanjas. »Du hast keine Schuld. Wenn sie wegen diesem Thomas nicht nach Graz wollte und sogar in Kauf genommen hat, weiterhin bei ihren Eltern leben zu müssen, dann hätte sie dein Angebot eh abgeschlagen.«
    Tanja blickte mich traurig an. »Wahrscheinlich hast du recht. Aber wenn ich sie öfter angerufen hätte … vielleicht hätte ich sie nicht dazu drängen sollen, es ihm zu erzählen.«
    »Tanja, du hast nichts falsch gemacht. Du bist für sie da gewesen, so gut du konntest. Du kannst doch nichts dafür, wenn sie dich ausgeschlossen hat. Abgesehen davon: Wie lange wäre es ihr möglich gewesen, die Schwangerschaft zu verheimlichen? Es war bloß eine Frage der Zeit, bis dieser Thomas oder ihre Eltern es gemerkt hätten.«
    Thomas. Ich durchforstete mein Gedächtnis nach allen möglichen Männern, die ich in Kleinhardstetten kannte. Doch ich musste mir eingestehen, dass ich von den wenigsten wusste, ob sie überhaupt einen zweiten Vornamen hatten, geschweige denn, wie der lautete. Allerdings war ich mir ziemlich sicher, dass Herr Mechat nur Sebastian hieß.
    Tanja putzte sich die Nase mit einer Serviette und lächelte mich schief an. »Danke.«
    »Wofür denn? Ich muss dir dankbar sein, dass du dir die Zeit genommen hast, dich mit mir zu treffen – obwohl das alles sicherlich nicht einfach für dich ist. Julia war meine beste Freundin und Melissas Tod hat sie so aus der Bahn geworfen, dass ich sie kaum mehr erkannt habe. Sie war von der Idee besessen herauszubekommen, wer an Melissas Selbstmord schuld war. Bloß hat sie sich da verrannt und den Falschen verdächtigt. Trotzdem müssen ihre Nachforschungen irgendjemand aufgescheucht haben. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass sie an einem Ort gestorben ist, an dem sie gar nicht hätte sein dürfen.«
    »Was meinst du denn, was passiert ist?«, fragte Tanja.
    »Genau das versuche ich, die ganze Zeit herauszufinden.«
    22. Februar 2012
    Wieder einmal war ich die halbe Nacht wach. Eingeschlafen bin ich erst, als es draußen zu dämmern begann. Ich glaube, es ist die Dunkelheit, die mich nicht schlafen lässt. Sie lockt mich, doch ich weiß, sie ist nicht meine Freundin. Sie will mich verschlingen, wie sie es mit Melissa getan hat.
    Schon als Kind hatte ich Angst im Dunkeln. Ich glaube, ich war 14,

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