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Frostfeuer

Frostfeuer

Titel: Frostfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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er den Rücken gegen die Wanne lehnen konnte; sie war aus Metall und stand auf vier Messingfüßen in Form breiter Bärenpranken.
    Erlens Finger bewegten sich viel zu hektisch und ziellos, um die Fesseln an seinen Knöcheln allein abzustreifen. Maus half ihm dabei und redete beruhigend auf ihn ein. Schließlich strampelte er die losen Seilschlaufen von den Füßen.
    Ein rhythmisches Zucken lief durch seinen ganzen Körper, und Maus brauchte einen Moment, ehe sie erkannte, dass die Bewegung nicht von ihm ausging. Etwas ließ die Wanne in seinem Rücken erzittern, eine Erschütterung im Zentrum des Eisblocks, der die Königin umhüllte.
    »Was ist mit ihr?«, fragte Maus, ehe ihr klar wurde, dass sie auf diese Weise von dem stummen Jungen keine Antwort erhalten würde. »Bist du das gewesen? Hast du das Wasser in die Wanne eingelassen?«
    Erlen nickte und starrte auf das Gesicht seiner Herrin. Das Zucken hinter ihren Lidern war schneller, kräftiger geworden. Die Eiskristalle auf ihren Lippen zerplatzten, und ein leises Stöhnen drang hervor.
    »Sie wacht auf«, flüsterte Maus. »Ist es wegen des Eises? Gibt ihr das neue Kraft? Hast du deshalb das Wasser eingelassen, damit es um sie herum gefriert?«
    Wieder antwortete er mit einem Kopfnicken, sah Maus dabei aber nicht an. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der Schneekönigin. In ihre grauen, faltigen Züge kam Bewegung wie von Wind, der unter Pergament fährt.
    Beinahe glaubte Maus, die Gesichtshaut knistern zu hören, aber das war nur Einbildung.
    Maus’ Hand schloss sich um Tamsins Regenschirm. Erneut hatte sie das Gefühl, dass er sich unter ihren Fingern regte.
    »Erlen!«, flehte sie den Jungen an. »Wir müssen weg von hier! Das ganze Hotel fliegt gleich in die Luft.«
    Er reagierte nicht, sah nur die Königin an, treu ergeben wie ein Hund, der geschlagen wurde und trotzdem zurück zu seiner Herrin kriecht. Maus war drauf und dran, ihn einfach mit sich zu zerren. Doch dazu kam sie nicht mehr.
    Das Eis in der Wanne begann zu vibrieren. Risse erschienen in der Oberfläche, verästelten sich zu einem Netz. Ein Knirschen und Bersten ertönte wie von Glasscherben, die aneinander rieben.
    Die Schneekönigin schlug die Augen auf. Die langen, dünnen Spitzen aus gefrorenem Haar umrahmten ihr Gesicht wie ein bizarrer Stern aus Eis. Sie öffnete den Mund, flüsterte ein Wort, das Maus nicht verstand – und im selben Moment explodierte der Eisblock rund um sie herum in Millionen winziger Partikel. Wie ein Hagelsturm ergossen sich die Kristalle über Maus und Erlen, die erschrocken zurückzuckten.
    Als Maus wieder hinsah, stand die Schneekönigin senkrecht in der Wanne, hoch aufgerichtet in all ihrer Majestät und Würde. Doch der Eindruck wiedergewonnener Macht währte nur kurz. Dann schüttelte etwas wie ein Krampf den schlanken Leib, ihre Rundungen fielen ein, ihre Haut wurde schlaff, die Falten kehrten zurück in ihr Gesicht. Die Schultern beugten sich vor wie unter einer unsichtbaren Last, und sie musste sich mit einer Hand an den Marmorkacheln der Wand abstützen, um nicht zu stürzen. In Windeseile war Erlen bei ihr und half ihr aus der Wanne. Er senkte die Augen, als er Maus’ verzweifelten Blick auffing.
    Die Königin stand inmitten eines Meers aus Eissplittern, atmete schwer und schien Maus noch gar nicht bemerkt zu haben. Ihr Atem ging unregelmäßig, und das Zittern ihres Leibes setzte sich fort bis zu den gefrorenen Haarspitzen. An ihren Handgelenken und Füßen hingen die Überreste von Seilschlaufen. Der Rundenmann musste sie in ihrem geschwächten Zustand überrumpelt und gefesselt haben, damit sie ihm bei seinem Attentat nicht im Weg war. Ob er geahnt hatte, mit wem er es zu tun hatte, als er sie bewusstlos in die Wanne geschleppt und gemeinsam mit Erlen im Bad eingeschlossen hatte? Gewiss nicht. Die beiden Bewohner der Suite waren ihm bei der Durchführung seines Plans im Weg gewesen, das war alles. Er hatte unverschämtes Glück gehabt. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht hätte die Königin ihn mit einem einzigen Blick zu Eisstaub zermahlen.
    Maus wich zurück zum Ausgang, den Schirm fest umklammert. Sie stieß mit dem Rücken gegen Holz und begriff, dass die Badezimmertür wieder zugefallen war. Sie wirbelte herum, schlug die Klinke hinunter, zögerte aber, als sie an Erlen dachte. Sie konnte ihn nicht hier lassen. Er mochte sich nicht entscheiden können, ob er Mensch oder Tier sein wollte, aber sie hatte ihn trotz allem gern. Er würde sterben, wenn sie

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