Frostfluch: Mythos Academy 2 (German Edition)
Schnitter nicht nur auf meine Gypsygabe und die Fähigkeiten und Erinnerungen anderer verlassen musste. Es war mühsam, aber zumindest hatte ich das Gefühl, dass ich langsam eine echte Kriegerin wurde.
Und dann war da natürlich Logan.
Wir hatten uns seit dem Kuss auf der Baustelle nicht mehr wirklich unterhalten. Sicher, wir trainierten zusammen und rissen Witze, aber keiner von uns hatte den Kuss je wieder erwähnt – den, der mir so viele wunderbare Gefühle geschenkt hatte. Ich war mir nicht sicher, wie ich ihn ansprechen sollte oder was ich überhaupt sagen wollte. Also hielt ich einfach den Mund, und Logan tat dasselbe.
Ab und zu erwischte ich ihn dabei, wie er mich mit seinen blauen Augen besorgt ansah. Ich wusste, dass Logan mich fragen wollte, was ich gesehen hatte, als ich ihn geküsst hatte, aber ich war mir einfach nicht sicher, was ich sagen sollte. Ich habe dich über zwei Leichen weinen sehen , klang nicht gerade romantisch.
Die Zeit verging, bis nur noch ein paar Tage blieben, bevor die Akademie alle in die langen Ferien entlassen würde. Alle Mythos-Schüler fuhren nach Hause, um Weihnachten und Silvester mit ihren Familien zu verbringen. Ich freute mich schon auf ruhige Festtage mit Grandma Frost und Vic. Ich hatte dem Schwert sogar einen kleinen Nikolaushut gekauft, auch wenn ich erwartete, dass es sich deswegen ziemlich anstellen würde.
»Dämliche Feiertage«, murrte Vic eines Abends in meinem Zimmer. »Wir sollten Schnitter bekämpfen, statt darüber nachzudenken, wie wir uns mit Schinken und Pastete vollstopfen wollen.«
Ich allerdings freute mich auf Grandma Frosts Kochkünste, genau wie auf ein wenig Ruhe und Frieden. Aber das konnte ich ihm nicht sagen. Seit dem Kampf gegen Preston war Vic noch blutrünstiger geworden. Scheinbar hatte ich mich dabei so gut geschlagen, dass Vic jetzt die weit hergeholte Hoffnung hegte, ich würde mich doch noch »zu einer richtigen Rabaukin« entwickeln.
Ich verdrehte nur die Augen, stellte den Fernseher ein wenig lauter und ließ das Schwert schimpfen.
Zwei Tage später erklang der letzte Gong und signalisierte das Ende von Mythengeschichte, der letzten Stunde des Tages. Ich stopfte meine Bücher in die Tasche und wollte mit den anderen den Raum verlassen, aber Professor Metis trat mir in den Weg und bedeutete mir, zurückzubleiben.
»Es wäre wichtig, dass du mich begleitest, Gwen«, sagte sie. »Jetzt sofort, bitte.«
Angesichts ihres ernsten Tonfalls und der düsteren Miene breitete sich kalte Angst in meiner Magengrube aus. »Was ist los? Ist meiner Grandma was passiert?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, deiner Großmutter geht es gut. Ich brauche deine Hilfe bei etwas anderem.«
Verwirrt und immer noch ein wenig besorgt folgte ich Metis aus dem Gebäude. Wir traten auf den oberen Hof. Schon den ganzen Tag rieselten dicke Schneeflocken vom Himmel und sammelten sich wie eine Schicht Puderzucker auf dem Boden. Trotz der Kälte hingen immer noch Schüler auf dem Hof ab, drängten sich in großen Gruppen zusammen und schrieben, so gut es mit den dicken Handschuhen eben ging, SMS an ihre Freunde.
Ich dachte, wir würden vielleicht zur Bibliothek der Altertümer gehen, um mit Nickamedes über irgendetwas zu reden, oder sogar in die Turnhalle, um uns mit Trainer Ajax zu unterhalten, aber stattdessen überquerte Metis den Hof in gerader Linie. Ich folgte ihr, und zusammen gingen wir zum mathematisch-naturwissenschaftlichen Gebäude. Wie alle anderen Bauten in Mythos war das Gebäude mit Statuen von Greifen, Wasserspeiern und anderen mythologischen Kreaturen bedeckt und wirkte unter der dicker werdenden Schneeschicht hart und unheilvoll. Wie immer schienen die Statuen jede meiner Bewegungen mit argwöhnischen Augen zu verfolgen, als wollten sie jeden Moment den Schnee abschütteln, aus ihren steinernen Hüllen springen und mich angreifen. Ich schauderte und wandte den Blick von den zähnefletschenden Monstern ab, die neben den Steinstufen standen. Dann eilte ich hinter der Professorin her.
Metis führte mich ins Gebäude. Doch statt in ein Klassenzimmer oder eines der Labore in den oberen Stockwerken zu gehen, folgte ich der Professorin mehrere Treppen nach unten. Wir stiegen runter, runter, runter, bis es schien, als wären wir in die Eingeweide der Akademie unterwegs. Ab und zu, wenn wir eine Tür erreichten, hielt Metis an und tippte entweder eine Nummer in ein elektronisches Sicherheitssystem oder murmelte ein paar Worte in einer Sprache,
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