Frostfluch: Mythos Academy 2 (German Edition)

eine Person zu beeinflussen. Du solltest fähig sein, dieser Person deine Erinnerungen und Gefühle zu zeigen – und vielleicht sogar mehr. Zumindest lautet so die Theorie. Niemand weiß, was du eines Tages alles können wirst. Du musst nur immer daran denken, deine Gypsygabe weise einzusetzen – nutze sie, um anderen und wenn es nötig ist auch dir selbst zu helfen, und alles wird gut.«
    Irgendwie wusste Grandma immer, was sie sagen musste, damit ich mich weniger wie ein Freak fühlte. Allerdings nahm ich mir trotzdem fest vor, beim nächsten Besuch in der Bibliothek der Altertümer Berührungsmagie nachzuschlagen. Wenn an meiner Psychometrie mehr dran war, als nur Visionen von Gegenständen und Leuten aufblitzen zu lassen und diese Erinnerungen zu nutzen, dann wollte ich das wissen, damit ich lernen konnte, mich selbst zu schützen – und auch Grandma Frost.
    Sie nahm meine Hand und rieb sie mit ihren runzligen Fingern mit den Altersflecken. Ich fühlte, wie die Wärme ihrer Liebe mich umfing und alles Kalte, Dunkle und Unheimliche vertrieb. Zumindest für heute Nacht.
    »Ich wollte dir nur sagen, wie stolz ich auf dich bin, Süße – und wie stolz deine Mom gewesen wäre.«
    »Warum?«, fragte ich. »Eigentlich habe ich nichts getan, außer mich fast töten zu lassen, zusammen mit Oliver und Logan.«
    Mein Herz raste bei der Erinnerung an Prestons glühend rote Augen und die bösartige Grimasse seines Gesichtes. Wir waren alle so kurz davor gewesen zu sterben – so kurz davor . Und ich wusste, dass es mein Fehler gewesen war, egal was die anderen sagten. Sicher, wir hatten es alle gut überstanden, aber das half nicht, meine Schuldgefühle zu beruhigen. Ich hatte Oliver und Logan trotzdem in Gefahr gebracht, und sie hatten meinetwegen schreckliche Verletzungen davongetragen.
    Grandma schüttelte den Kopf. »Du hast Oliver beigestanden, als es wirklich gezählt hat, und Logan auch. Du hast herausgefunden, wie du deine Magie einsetzen kannst, um dich und deine Freunde zu retten. Das macht dich stark und klug, Gwen, und ich könnte nicht stolzer auf dich sein. Und jetzt ruh dich aus. Du hast einen langen Tag hinter dir. Wir reden morgen früh weiter, bevor du zur Akademie fährst.«
    Sie zog die Decke bis an mein Kinn, gab mir einen Kuss auf die Wange, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.
    Du erledigst mich besser jetzt, Gypsy. Oder ich werde eines Tages freikommen, und dann töte ich diese tattrige alte Großmutter, die du so sehr liebst.
    Prestons Worte hallten wieder und wieder durch meinen Geist wie ein finsteres Echo, das einfach nicht verklingen wollte. Ich schauderte und schaltete die Lampe neben dem Bett aus. Dann versuchte ich, das schreckliche Versprechen des Schnitters aus meinen Gedanken zu verdrängen. Preston war eingesperrt, sodass er keinen Schaden mehr anrichten konnte, und er würde nie wieder freikommen.
    Das sagte ich mir wieder und wieder, aber trotzdem dauerte es sehr lange, bis ich einschlief.

    

    Mein Leben wurde wieder normal. Na ja, so normal, wie es eben sein konnte, wenn man auf die Mythos Academy ging. Ich saß im Unterricht, schlich mich vom Campus, um Grandma Frost zu besuchen, und arbeitete meine Schichten in der Bibliothek der Altertümer ab wie immer.
    Was sich allerdings verändert hatte, war das Kampftraining. Es machte jetzt viel mehr Spaß. Oliver und ich waren echte Freunde geworden, und selbst Kenzie erwärmte sich langsam für mich, obwohl ich sein Frühstück mit Talia ruiniert hatte. Kenzie und Talia waren inzwischen offiziell zusammen, und anscheinend ging es ziemlich hoch her. Manchmal schlich sich Kenzie früher aus dem Training, um sich mit der Amazone zum Frühstück zu treffen. Der Spartaner bemerkte nie die traurigen, sehnsüchtigen Blicke, die Oliver ihm zuwarf. Ich wünschte mir für Oliver, die Dinge lägen anders, und hoffte, dass er bald jemanden fand, der ihn von Kenzie ablenkte. Ich wusste, wie scheußlich unerwiderte Liebe war, und ich wollte nicht, dass mein neuer Freund sich genauso hoffnungslos fühlte wie ich.
    Ich stellte mich im Training auch besser an. Inzwischen hielt ich eine ganze Minute durch, bevor Logan mit dem Schwert den angedeuteten Todesstoß setzte, und meine Pfeile trafen jedes Mal die Zielscheibe. Ich versuchte allerdings, mich während des Trainings nicht auf die Erinnerungen von Daphne und Logan zu verlassen. Ich wollte selbst lernen, mich zu verteidigen, damit ich mich bei meinem nächsten Kampf gegen einen