Frostfluch: Mythos Academy 2 (German Edition)
Bildern drängte Logans Stärke an die Oberfläche, zusammen mit seiner Wildheit und dem Stolz, etwas so Gefährliches wie einen Pirscher besiegt zu haben.
Es war, als ginge mir ein Licht auf. Plötzlich erkannte ich alles, was ich während unserer Übungskämpfe in der Turnhalle falsch gemacht hatte. All die nachlässigen Fehler, all meine offensichtlichen Schwächen, jede Blöße, die Logan mühelos ausgenutzt hatte, um mich wieder und wieder zu »töten«. Und ich verstand, was ich tun musste, um Preston zu besiegen, was ich tun musste, um uns beide zu retten.
Ich wollte mich schon von ihm lösen, da verschwanden die Kämpfe, und eine andere Erinnerung stieg in meinem Geist auf. Ich hätte den Kuss in diesem Moment beenden sollen, aber ich tat es nicht. Obwohl ich wusste, dass es falsch war, wollte ich dieses Bild sehen. Ich wollte alles wissen, was es über Logan zu wissen gab. Ich wollte dieses dunkle Geheimnis erfahren, das er so verzweifelt vor mir versteckt hatte.
In dieser Erinnerung war Logan ein kleiner Junge, ungefähr fünf Jahre alt. Selbst damals war er schon süß gewesen, mit großen blauen Augen und einem verwuschelten Mopp aus schwarzem Haar. Aber die Erinnerung war nicht glücklich – ganz im Gegenteil. Logan saß zusammengekauert ganz hinten in einem großen Schrank, versteckt hinter herabhängenden Kleidern. Direkt vor der geschlossenen Tür erklangen Schreie, und durch die breiten Lamellen sah man sich windende Schatten. Logan umklammerte ein kleines Metallschwert, aber er benutzte es nicht, obwohl er es wollte. Der Drang, aus dem Schrank zu stürmen, ließ sein Herz rasen, doch er hatte so viel Angst vor den Schreien, vor den Schatten, dass er nur erstarrt sitzen bleiben konnte.
Plötzlich veränderte sich das Bild und ging in eine andere Erinnerung über. Logan stand über zwei Leichen, eine Frau und ein Mädchen, das nur wenige Jahre älter war als er. Seine Mutter und Schwester , flüsterte eine Stimme mir zu. Ihre Kehlen waren aufgeschlitzt, ihr Blut befleckte ihre Gesichter und bedeckte überall um sie herum den Boden. So viel Blut. Logan umklammerte immer noch sein Schwert. Wütend warf er es von sich, dann legte er sich neben die beiden, ohne sich darum zu kümmern, dass er sich über und über mit ihrem Blut beschmierte. Tränen rannen ihm über das kleine, bleiche Gesicht. Und dann fing er an zu schreien.
Logan zog sich zurück. Er brach den Kuss und damit auch unsere Verbindung. Ich wäre nach vorn gefallen, wenn er mich nicht aufgefangen und festgehalten hätte.
»Gwen?«, flüsterte er an meiner Wange. »Geht es dir gut? Was hast du gesehen?«
Ich habe gesehen, warum ein Teil von dir immer traurig ist , dachte ich. Warum du mich nicht näher an dich heranlässt. Denn du hast die Menschen verloren, die dir am meisten bedeutet haben. Aber ich sprach es nicht laut aus. Ich … konnte einfach nicht. Nicht jetzt. Später. Wir würden … später darüber sprechen. Wenn es denn überhaupt ein Später gab.
Ich schüttelte den Kopf und löste mich von ihm, um ihm ins Gesicht zu sehen. »Das muss ich dir lassen, Spartaner. Du kannst küssen. Du hast die Erlaubnis, das jederzeit wieder zu tun, wenn dir der Sinn danach steht.«
Kurz blitzte Erleichterung in seinen Augen auf – Erleichterung darüber, dass ich sein Geheimnis nicht entdeckt hatte. Dass ich die Leichen und das Blut nicht gesehen hatte, die ihn bis heute verfolgten. Dann grinste Logan.
»Nun, ich lebe, um zu gefallen«, sagte er gedehnt. »Du solltest erst mal sehen, was ich alles mit den Händen anstellen kann. Und mit anderen Teilen meines Körpers.«
Ich verdrehte die Augen. »Himmel! Du bist aufgeschlitzt worden wie ein Fisch, hinter uns ist ein Psychokillerschnitter her, und du denkst nur an Sex?«
Logan zuckte mit den Schultern, aber seine Augen glitzerten weiterhin teuflisch. »Hey, du kannst einem Kerl doch nicht übel nehmen, dass er es versucht.«
»Genau. Darüber reden wir später. Jetzt komm«, sagte ich. »Ich habe eine Idee.«
Ich stand hinter der Tür und wartete darauf, dass Preston Ashton kam, um mich umzubringen.
Ich musste nicht lange warten. Ich hatte meine Position kaum eingenommen, da hörte ich auch schon Schritte, und am anderen Ende des halb fertigen Flurs erschien ein Schatten.
»Gypsy …« Prestons Stimme hallte durch die dämmrige Baustelle. »Oh, Gypsy … Ich komme, dich zu töten …«
Ich biss die Zähne zusammen und packte Vic fester. Ich wusste, dass Preston versuchte, mir
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